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PLA unter der Sonne – Eine zeitgeraffte Kurzgeschichte

In zwei Dingen will jeder Mensch Experte sein: Beim Wetter und bei der Politik. Zumindest beim Wetter könnte ich gut an jedem Bayerischen Stammtisch mithalten, seit ich vor etwa viereinhalb Jahren auf eine Insel im Südpazifik ausgewandert bin. Bei der Politik bin ich mir weniger sicher; wer von einer Bananenrepublik in die nächste zieht, beurteilt am Ende nur noch die Bananen. Und hier habe ich immerhin das Original im eigenen Garten.

Also zum Wetter, denn erst die Realität spottet bekanntlich jeder Beschreibung.

Die Insel heißt Niue. Niue liegt recht nahe am Äquator. Sie ist ebenso heiß, wie sie unbekannt ist, mit einer Luftfeuchtigkeit, die einem zum Schwitzen bringt, wenn man es wagt, seinen Mixer im Stehen auf zuschrauben. Kein Witz. Es wäre wohl ein Paradies für die Stiftung Warentest, denn hier verrostet und verrottet Alles mit einer Geschwindigkeit, daß man immerzu hinsehen will, um nichts zu verpassen.

Netzteile vermeide ich. Wann immer möglich, benutze ich Trafos. Meine Nozzle, und das Heatbed bekommen 12V Wechselstrom direkt aus einem Trafo durch Relais, die am Arduino hängen. Fast all meinen Kram zum Basteln, meine Elektronik und mein Werkzeug verstaue ich in Metall-Dosen, die sofort rosten würden, wenn ich den Deckel nicht schließe. Da sie außen nicht rosten, kann ich nur vermuten, dass sie lackiert sind. Ist der Deckel drauf, auch kein Rost. Eine wunderbare Abdichtung in diesem Kokosnuss-Dschungel.

Als ich vor mehr als zwei Jahren meinen ersten 3D-Drucker bekam, bestellte ich jeweils zwei Rollen PLA und ABS.
Inzwischen habe ich auch einen Filamentmaker. Zu Beginn habe ich hauptsächlich mit PLA gedruckt. Das Material ist für den Einsteiger sehr gut geeignet, und ich habe PLA sehr gemocht. Am Anfang hatte ich nicht mal ein Heatbed, und ABS war ein Krampf. Es haftete nicht, zog Fäden und schien mir in Allem eher für den Fortgeschrittenen Maker geeignet.
Mir war klar, dass ich eines Tages einen Filamentmaker haben werde, und ich behielt den ganzen gedruckten PLA Kram, um ihn später mal zu zerschreddern, und wieder Filament daraus zu machen.

Die erste Rolle hatte ich komplett verbraucht, bis ich langsam auf ABS gewechselt bin. Das PLA geriet bei mir regelrecht in Vergessenheit und ich hatte seit dem nichts mehr damit gemacht. Bis ich einen Film sah, indem jemand PLA in Vergaserreiniger “weich” machte und mir fiel ein, dass ich ja noch die zweite Rolle hatte, die seit Jahren ungenutzt im Karton lag. Um das also mal auszuprobieren kramte ich das PLA hervor und stellte fest, dass ich es nicht mal mehr einlegen konnte, da es SOFORT zerbrach!

Zunächst nahm ich an, das beträfe nur die äußere Schicht, stellte aber fest, daß das gesamte Filament seine Stabilität verloren hatte. Ich schraubte die Seite der Rolle ab. Mit meinem Finger konnte ich einmal komplett durch das PLA-Filament drücken – es zerbrach sofort. Ungekochte Tütenspagetti sind 10 mal stabiler…

Zunächst hab ich’s mit einer Kaffee-Schlagmühle zu Krümel zerpulvert, und ab in die nächste Dose… Sobald mir der Sinn danach steht, werde ich meinen Filamentmaker vom ABS reinigen und mal sehen, ob sich das PLA nochmal verwursten lässt…

PLA aus der Mottenkiste. Verhält sich stark wie Wachs, die Fingerabdrücke sind gut sichtbar
PLA aus der Mottenkiste. Verhält sich stark wie Wachs, der Fingerabdruck ist gut sichtbar

Die Frage ist nur Wofür???
Ich sah natürlich sofort nach, wie es meinen alten PLA-Teilen ging, die ich eigentlich für den Maker gesammelt, jedoch nie benutzt hatte. Ergebnis: Totalschaden!

Von den jüngsten Teilen konnte man etwa die Hälfte ganz leicht zerbrechen, die Teile mittleren Alters waren wie Waffelkekse. Man konnte die meisten in der bloßen Hand zerdrücken. Einige waren so brüchig, dass man sie zwischen zwei Fingern einfach zerkrümeln konnte.
Die ältesten Teile hatten eine Konsistenz von Lakritz in der Sonne! Klebrige Finger gratis.

Die Frage ist also, was soll ich damit drucken? Wenn ich es erneut zu Filament verarbeite, scheint es unwahrscheinlich, dass es noch jene Stabilität haben wird, wie zu Beginn. Mal abgesehen davon, dass es keinen wesentlichen Unterschied macht, ob ein Teil nun ein, oder zwei Jahre überdauert, bevor es in diesem Klima zu 3D-Drucker-Kompost Zerfällt. Da fällt mir nur noch die Opferform für den Guß von zB. Aluminium ein – eine erstklassige Aufgabe für PLA.

PLA besteht aus Mais-stärke, ist umweltverträglich und wird daher von vielen Makern bevorzugt. Die Dämpfe seien weniger giftig, es rieche nach Popcorn… Im Dezember zB. hatte ich den Hackerspace >Tangleball< in Auckland besucht. Auch dort wird fast ausschließlich mit PLA gedruckt. Alle Teile für den Mendel dort in den Räumen sind aus PLA. Auckland kann im Sommer durchaus mal subtropisch werden, aber ansonsten erinnert mich das Klima durchaus auch an deutsche Verhältnisse. Nehmen wir mal an, hier auf der Insel verrotten die Sachen 10-Mal schneller als in Nordeuropa oder Auckland, dann werden eure PLA-Teile vermutlich zwischen 5-20 Jahre halten. Sich dann jedoch langsam aber sicher in komische Kekse verwandeln, die keiner essen will. Hat man nun einen Filamentmaker, sieht es mit der Umweltverträglichkeit von ABS (und auch PET) gleich ganz anders aus: ABS stinkt beim Drucken zwar ordentlich nach Müllhalde, jedoch nicht weil da Müll drin ist, sondern weil sich auf den Müllhalden das ABS stapelt, dass einem die Laune vergehen kann. Wer also einen Filamentmaker hat und sein altes ABS zerschreddert und wieder verwertet, der kann durchaus etwas für den Umweltschutz tun. Vieles ist aus ABS, und häufig ist sogar auf der Innenseite der Teile “ABS” deutlich zu lesen. Das ist etwas, das man sich mal durch den Kopf gehen lassen sollte. Spätestens wenn sich der eigene 3D-Drucker aus Altersschwäche verkrümelt.

Holger Karsten

Gastbeitrag: Holger Karsten

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