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Wie 3D-Druck die Schmuckindustrie verändern wird

Die 3D Druck Technologie wurde bereits vor mehr als 30 Jahren erfunden und entfachte damals die Phantasie von Zukunftsenthusiasten als auch der breiten Öffentlichkeit. Im amerikanischen Frühstücksfernsehen flimmerte schon 1989 ein begeisterter Beitrag über die Mattscheibe. Der Tenor: Die Stereolithography werde unsere Art, Produkte herzustellen, grundsätzlich verändern. Wenn man den eher technischen Begriff ‘Stereolitography’ durch das populärere 3D Druck ersetzt – und von der seltsamen Frisur der Moderatorin absieht – könnte der Beitrag noch heute laufen.

Trotzdem scheint es, als hätte die vielversprechende Technologie ihr Versprechen im letzten Vierteljahrhundert nicht eingelöst. Und es ist nicht überraschend, dass die große Medienaufmerksamkeit für gedruckte Waffen oder Organe eine gewisse Müdigkeit ausgelöst hat, die der nüchternen Betrachtung im Wege steht.

Dabei ist 3D Druck klammheimlich zu einem unverzichtbaren Bestandteil ganzer Industrien geworden zum Beispiel in der Luftfahrt und Medizintechnik. Jetzt zieht auch die Schmuck-Branche nach. Bisher hatte sie sich als letzte Bastion gegen den Internethandel erwiesen, mit alteingesessenen Juwelieren, die – anders als ihre Bücher verkaufenden Kollegen – noch immer die Innenstraßen deutsche Städte säumen. Eben diese Branche könnte jetzt der Technologie 3D Druck den Durchbruch in den Massenmarkt ermöglichen.

Das liegt zum einen am hohen Wert der Gestaltung. Anders als bei Musikstücken und Büchern ist der Preis eines Schmuckstücks deutlich mehr an seinen Materialwert gebunden. Trotzdem ist der Aufschlag für außergewöhnliches Design wesentlich höher, als bei anderen Produkten. Dieser Fakt ermöglicht es Unternehmern, die hohen Einzelstückkosten zu bewältigen, die beim 3D Druck im Gegensatz zur massenhaften Produktion im Ausland anfallen.
Zum anderen sind einige der Vorteile des 3D Drucks gerade für die Schmuckindustrie sehr interessant: Schnelle Produktionszyklen ermöglichen es, Trends aufzugreifen, bevor andere es tun. Die Möglichkeit, auf Nachfrage zu produzieren, führt außerdem zu geringeren Lagermengen und dem Wegfall von Sicherheitsvorkehrungen.

So wie Anfang der 80er Jahre die ersten Computer, steht das 3D Druck Verfahren nun kurz davor, für die Masse praktikabel zu werden und damit in den Mainstream einzuziehen. Die Schmuckproduktion könnte diese erste massenhafte Anwendung sein.

Für andere kann der 3D Druck einen Befreiungsschlag bedeuten. Für unabhängige Designer war die Schmuckherstellung bisher teuer und ziemlich frustrierend: Um mit den großen Spielern mithalten zu können, benötigt man Geld – und das möglichst viel. Für wettbewerbsfähige Preise müssen große Bestellungen im Ausland getätigt und die Vorfinanzierung gestemmt werden, alles in der Hoffnung, dass die Verkäufe ein halbes Jahr später die Auslagen wett machen und das Risiko honorieren. Dazu brauchen Designer ein gutes Netzwerk, noch bessere Nerven und ein wenig Glück, um das Produktionsunternehmen und die Kundennachfrage richtig einzuschätzen.

Das 3D Druck Verfahren ändert die Ökonomie im Schmuckdesign drastisch. Designer sind jetzt in der Lage ihre digitalen Entwürfe als physischen Objekt umzusetzen ohne viel Investitionskapital aufzubringen. Du hast eine gute Idee? Entwerfe eine CAD-Datei und lass sie ein Mal drucken! Die ersten Dienstleister sind bereits auf dem Markt und bieten eine lange Liste an Angeboten: von der reinen Produktionen, über Qualitätskontrolle, Verpackung, Branding und Vertrieb bis hin zu Verkaufsabwicklung und Kundenservice.
Der Designer kann sich das Sahnestück heraussuchen, das seine Talente ergänzt: er kann den ganzen Prozess unter Kontrolle behalten – oder sich einfach nur auf die Gestaltung konzentrieren.

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(C) Bild: Stilnest

 

Neben diesen Vorteilen eröffnen sich gestalterisch ganz neue Möglichkeiten. Auf einmal sind hoch komplexe Strukturen und direkt gedruckte funktionale Teile in Reichweite. Die Digitalisierung von Objekten führt zudem dazu, dass lokale und internationale Fertigung zusammenrücken. Informationen können via Email um die Welt geschickt werden, das gilt auch für die digitalen Baupläne von Schmuckstücken. Diese Entwicklung führt dazu, dass ein hawaiianischer Designer in der ganzen Welt verkaufen kann – und andersherum. Die tatsächliche Produktion kann dagegen in lokaler Nähe zur Nachfrage stattfinden.
Und weil die Bestellungen nicht antizipiert werden, sondern erst produziert wird, wenn sie real vorliegen, werden Lagerhaltung und Überproduktion vermieden.

Für große Marken stellt das eine Herausforderung dar. Um möglichst günstige Produktionskosten zu erhalten, schließen sie einen gefährlichen Pakt: Produkte werden Monate im Voraus geordert und finanziert, was Unternehmen unflexibel und verletzlich gegenüber schnellen Trendzyklen und dynamischen Spielern macht. Das Unternehmen Zara hat bereits vor zwanzig Jahren erfolgreich gezeigt, wie man mit schneller, flexibler Produktion zu einer ernsthaften Bedrohung der Konkurrenten in der Fashion Industrie wird.
Mit der Hilfe von 3D Druck können Designer direkt auf aktuelle Entwicklungen und Mikrotrends reagieren, ohne weit im Vorfeld zu planen. Testen, lernen, weiterentwickeln – innerhalb weniger Wochen können sie einen sonst halbjährigen Prozess durchlaufen und besser auf ihre Kunden eingehen. Und wenn es richtig schnell gehen muss, braucht ein 3D gedrucktes Objekt nur eine Woche von der Fabrik bis zur Fußmatte des Kunden.

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(C) Bild: Stilnest

 

Die bisher genannten Vorteile sind – anders als im Fernsehbeitrag von 1989 – keine Fiktion, sondern Realität. In Zukunft wird die Entwicklung und Markteinführung von neuen Schmuck-Kollektionen so teuer sein, wie das Schreiben dieses Blogbeitrages: man benötigt ein paar Megabytes und die Zeit ihres Erschaffers.

Digitales Design kann einfach auf Kundenwünsche angepasst, verändert und repliziert werden. Kombiniert mit anderen Entwicklungen wie selbst lernenden Algorithmen, kann ein evolutionärer Ansatz mehrere Versionen desselben Designs produzieren. Völlig automatisch wird die populäre Version weiter beworben, während die weniger beliebte Version nach und nach in den Weiten der Produktmasse verschwindet. Das Schicksal des Produkts wird durch die Anzahl der Klicks besiegelt.

Es ist natürlich leicht, sich euphorisch vom zukunftsträchtigen Potential der Technologie mitreißen zu lassen. Aber anders als der Beitrag im amerikanischen Frühstücksfernsehen, beschreibt dieser Artikel ganz reelle Vorteile, die erste Pioniere auf dem 3D Druck-Markt bereits als Geschäftsgrundlage nutzen. Dreißig Jahre mögen eine Ewigkeit im Leben eines Haarstils, sein, für das Leben einer bahnbrechenden Technologie wie dem 3D Druck sind sie nur das Säuglingsalter.

Gastbeitrag: Julian Leitloff

schmuck_3d_druck4_julian_leitloffJulian Leitloff ist Geschäftsführer von Stilnest, einem Verlagshaus für Designerschmuck. Stilnest sucht nach spannenden Designern weltweit und nutzt die 3D Drucktechnologie für die Produktion der Designs. Dabei unterstützt Stilnest die Produktentwicklung, übernimmt die Produktion, kuratiert die Kollektionen und vertreibt die Objekte über die Plattform Stilnest.com.



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