AMUG-Interview mit Bryan Crutchfield von Materialise

Angesichts der weltweiten Herausforderungen im Bereich der Nachhaltigkeit und der Unterbrechung der Lieferkette hat sich die digitale Fertigung, insbesondere der 3D-Druck, als potenzielle Lösung für Unternehmen herauskristallisiert, die ihren CO2-Fußabdruck verringern und die Stabilität der Lieferkette aufrechterhalten wollen. Viele Insider gehen jedoch davon aus, dass es in den kommenden Jahren zu einer Marktkonsolidierung in der 3D-Druckbranche kommen wird, da viele Start-ups Schwierigkeiten haben, Finanzmittel zu finden, und etablierte Unternehmen nach Kaufgelegenheiten suchen. Größere, erfolgreichere Unternehmen könnten angeschlagene Firmen übernehmen, wenn die Branche eine Verlangsamung der Risikokapitalfinanzierung erlebt und sich die Wirtschaft abkühlt. Eines dieser großen und erfolgreichen Unternehmen ist zweifelsohne Materialise. Während der AMUG hatte 3Druck.com die Gelegenheit, mit Bryan Crutchfield, VP und General Manager von Materialise North America, über den Zustand der Branche und die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens zu sprechen.

Materialise, ein führender Anbieter von Lösungen für die additive Fertigung, erweitert seine Cloud-basierte 3D-Druckplattform als Teil seiner Strategie, als “neutrales Rückgrat” der 3D-Druckindustrie zu dienen. Die Übernahme von Link3D vor einigen Jahren hat die Entwicklung der Cloud-nativen Software von Materialise beschleunigt. Ziel des Unternehmens ist es, eine iOS-ähnliche Plattform für den 3D-Druck zu schaffen, welche die Integration konkurrierender Produkte und Anwendungen ermöglicht, um den Kunden letztendlich erstklassige Workflow-Lösungen zu bieten.

Ein aktuelles Beispiel ist die Verbesserung von Magics, der Daten- und Bauvorbereitungssoftware, die nun eine verbesserte Konnektivität mit anderen Softwarelösungen bietet. Die Integration mit der CO-AM-Plattform bietet eine entscheidende Rückverfolgbarkeit im 3D-Druckprozess über einen Revisionsbaum, der jede auf ein Teil oder einen Build angewandte Aktion aufzeichnet. Diese Rückverfolgbarkeit ist für die Qualitätsverbesserung und die Einhaltung von Vorschriften in Branchen wie der Luft- und Raumfahrt unerlässlich.

Darüber hinaus integriert das Update Magics in den Materialise Machine Manager, der eine cloudbasierte Verwaltung des AM-Maschinenparks und der angeschlossenen Build Processors ermöglicht. Dies ermöglicht eine nahtlose Zusammenarbeit und stellt sicher, dass alle Verarbeitungsparameter und Baudateien sicher in der Cloud gespeichert werden, was die Rückverfolgbarkeit während des gesamten Workflows weiter verbessert.

Führend in der Marktkonsolidierung

Während sich die Branche weiterentwickelt und reift, wird Materialise durch sein Engagement als offene und neutrale Plattform zu einem wichtigen Akteur im Ökosystem des 3D-Drucks und gleichzeitig zu einem führenden Unternehmen bei der Marktkonsolidierung.

“Materialise ist für die sich entwickelnde 3D-Drucklandschaft gut gerüstet, da das Unternehmen bewusst eine solide Finanzbilanz mit mehr Barmitteln als Schulden beibehalten hat. Dadurch ist das Unternehmen in einer vorteilhaften Position, um Chancen zu nutzen, wie z. B. die Übernahme anderer Firmen, die von Materialises Fachwissen und Ressourcen profitieren könnten”, erklärt Bryan Crutchfield, VP und General Manager von Materialise North America.

Neben seiner starken Finanzkraft verfügt Materialise über eine einzigartige Mischung aus Fertigungs-, Medizin- und Software-Know-how, die es dem Unternehmen ermöglicht, seinen Kunden in verschiedenen Branchen umfassende Lösungen anzubieten. Dank dieser vielfältigen Erfahrungen verfügt das Unternehmen über eine solide technische Grundlage und ist mit einer Vielzahl von Anwendungen vertraut.

“Das Wachstum des 3D-Metalldrucks, insbesondere im medizinischen Bereich, gehört zu den Bereichen, in denen bedeutende Fortschritte erzielt werden. Um die richtigen Anwendungen zu finden und das Potenzial des 3D-Drucks für bestimmte Sektoren wie die Luft- und Raumfahrt und die Medizintechnik zu erschließen, ist ein hohes Maß an interdisziplinärem Fachwissen erforderlich, um einen echten Mehrwert zu bieten”, erläutert Crutchfield. “Da sich die Branche in Richtung eines dezentraleren Produktionsmodells bewegt, werden Größen- und Verbundvorteile zunehmend an Bedeutung gewinnen. Größere Unternehmen werden wahrscheinlich die hochtechnischen Aspekte des 3D-Drucks dominieren, während kleinere und mittlere Unternehmen bei einfacheren Anwendungen erfolgreich sein können.”

Anpassung an eine sich wandelnde geopolitische Landschaft

Crutchfield betont, dass sich Unternehmen an ein sich veränderndes geopolitisches Klima anpassen und sich auf den Aufbau widerstandsfähigerer Lieferketten konzentrieren müssen. Unternehmen können sich eine nachhaltigere und effizientere Zukunft erschließen, indem sie den 3D-Druck und digitale Fertigungsmethoden einsetzen und gleichzeitig die Datenintegrität in einem verteilten Fertigungsmodell bewahren.

“Es ist von entscheidender Bedeutung, Maschinen und Prozesse in der Fertigung nachhaltiger und die Materialproduktion widerstandsfähiger zu machen. Unternehmen beginnen, digitale Fertigungstechniken zu integrieren, um Abfall zu minimieren und die Produktion zu optimieren. In unserer ACTech-Anlage in Deutschland werden beispielsweise 3D-gedruckte Sandgussmodelle zur Herstellung von Gussteilen für den Automobilsektor verwendet, um Kunden bei der Steigerung ihrer Produktionseffizienz zu unterstützen”, erklärt Crutchfield. “Um die Lieferketten vor Unterbrechungen zu schützen, erwägen Unternehmen den Einsatz des 3D-Drucks als Ausweichplan, um Teile aufgrund gesetzlicher Vorgaben für längere Zeit in den Regalen zu lagern. Diese Strategie kann dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette aufrechtzuerhalten, insbesondere in Branchen mit langjährigen Kunden und behördlichen Auflagen für Ersatzteile. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Sicherheit und geistigem Eigentum erwerben Unternehmen wie Materialise Einrichtungen wie Identify3D, um den Schutz der Plattform zu priorisieren, Daten zu sichern und ihre Integrität zu wahren.”

Darüber hinaus sieht das Unternehmen erhebliche Chancen auf dem asiatischen Markt, insbesondere in Ländern wie China. “Während die Region eher von der Regierung angetrieben wurde, erwartet Materialise, dass kommerzielle Anwendungen entstehen werden, wenn der Markt reift”, fügt Crutchfield hinzu. “Materialise arbeitet aktiv mit Kunden in Malaysia, Japan, China, Korea und Indien zusammen”.

Es gibt jedoch nach wie vor einige Herausforderungen, wie z. B. fehlendes technisches Fachwissen im eigenen Haus und der Wettbewerb um Talente in der Additiv-Industrie. “Unternehmen wetteifern um erfahrene Fachleute, die ihnen helfen können, 3D-Drucktechnologien effektiv einzusetzen. Obwohl die Berufsschulen und Universitäten aufholen, übersteigt die Nachfrage nach Fachkräften in diesem Bereich weiterhin das Angebot”, so Crutchfield abschließend.

Über Materialise
Materialise bündelt mehr als drei Jahrzehnte Erfahrung im 3D-Druck in einer Reihe von Softwarelösungen und 3D-Druckdienstleistungen, die nachhaltige 3D-Druckanwendungen ermöglichen. Die offenen, sicheren und flexiblen End-to-End-Lösungen von Materialise ermöglichen eine flexible industrielle Fertigung und Massenpersonalisierung in verschiedenen Branchen – darunter Gesundheitswesen, Automobilbau, Luft- und Raumfahrt, Brillen, Kunst und Design, Wearables und Konsumgüter. Materialise hat seinen Hauptsitz in Belgien und verfügt über Niederlassungen auf der ganzen Welt. Das Unternehmen vereint die größte Gruppe von Softwareentwicklern in der Branche mit einer der weltweit größten und umfassendsten 3D-Druckanlagen