Home Long Read Kommt der 3D-Druck-Boom in Kuba?

Kommt der 3D-Druck-Boom in Kuba?

Kapitol von Havanna (Foto: 3Druck.com)
Kapitol von Havanna (Foto: 3Druck.com)

Die kubanische Wirtschaft befindet sich im Umbruch. Neben wirtschaftlichen Reformen gibt es auch eine diplomatische Annäherung zwischen den USA und der Karibikinsel. Dieser Erneuerungsprozess könnte auch zum Aufbau einer 3D-Druck-Industrie genutzt werden.

Kuba war seit der Erklärung seiner Unabhängigkeit eng mit der USA verbunden. Durch die geografische und politische Nähe entstand ein massiver wirtschaftlicher Austausch.

Nach der Machtübernahme durch Fidel Castros Rebellen und dem Sturz sowie der Flucht des herrschenden Diktators Fulgencio Batista 1959, verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten rapide. Die Vereinigten Staaten von Amerika verhängten ein umfassendes Handelsembargo gegen die Karibikinsel. Zur gleichen Zeit baute die neue kubanische Führung seine Verbindungen zu der Sowjetunion aus.

Russische Botschaft in Havanna (Foto: 3Druck.com)
Russische Botschaft in Havanna (Foto: 3Druck.com)

Obwohl die UdSSR die Rolle der USA in Kuba übernommen hatte, entstanden durch den wirtschaftlichen Umbruch Mängel in verschiedenen Lebensbereichen. Ein Mitgrund hierfür war, dass viele Ersatzteile für Maschinen, welche noch in der USA hergestellt wurden, unter das verhängte Embargo fielen. Ebenso verließen qualifizierte US-Ingenieure das Land.

In dieser Situation begannen die Kubaner flächendeckend provisorische Lösungen zu suchen und zu finden. Die Regierung bildete neue Fachkräfte aus und auch im Privatbereich entstand eine lebendige DIY-Community.

Durch den Zusammenbruch der Sowjetunion verschärfte sich die Situation massiv. Durch den Wegfall, der vorteilhaften Handelsbeziehungen mit der UdSSR und anderen sozialistischen Staaten, kam die kubanische Wirtschaft nahezu zum Erliegen. In der sogenannten „Sonderperiode in Friedenszeiten“ wurde so gut wie jeder Einwohner zum Maker. Wegen der fehlenden Importe wurde die Bevölkerung gezwungenermaßen kreativ und fand neue Wege um Dinge des täglichen Bedarfs selbst zu produzieren.

Ernesto Oroza, ein aus Kuba stammender Künstler, sammelte und dokumentierte Objekte, die auf diese Art entstanden waren und präsentierte diese in einer Dokumentation für das Magazin „Motherboard“:

Cuba's DIY Inventions from 30 Years of Isolation

Die kubanische Führung lenkt viele Ressourcen in den Bildungsbereich. So ist der Schulbesuch sowie der Besuch von Universitäten kostenlos. Dadurch verfügen Kubaner oft über viel Fachwissen.

uci-kuba
Universidad de las Ciencias Informáticas (Foto: Wikipedia)

Seit einigen Jahren investiert Kuba in neue Technologie-Sektoren um die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Im Rahmen der Initiative „Batalla de Ideas“ wurden weitere Einrichtungen und Bildungsmöglichkeiten realisiert, welche dabei helfen sollen die Wirtschaft zu modernisieren. So wurde u.a. 2002 die Universidad de las Ciencias Informáticas gegründet, welche die Computerisierung des Landes forcieren soll.

Nachdem sich Fidel Castro aus gesundheitlichen Gründen 2006 zurückgezogen und sein Bruder Raul die Macht übernommen hatte, wurde in Kuba 2010 eine „Aktualisierung der Wirtschaft“ beschlossen. Diese Reformen umfassen u.a. eine Ausweitung des privaten Sektors. Derzeit sind 80% der Arbeitnehmer in Kuba beim Staat beschäftigt. Diese Quote soll schrittweise gesenkt werden. Hierfür wurden die Reglementierungen bei der selbstständigen Arbeit gelockert. Der Staat legalisierte um die 200 Jobs. Unter diesen Jobs befinden sich Arbeitsfelder, welche das Betreiben von 3D-Druck-Dienstleistungen ermöglichen würde.

Interessenvertretung der USA in Kuba (Foto: 3Druck.com)
Interessenvertretung der USA in Kuba (Foto: 3Druck.com)

Solche Dienstleister könnten in Kuba eine große Rolle spielen, denn viele Gegenstände und Geräte, welche die Kubaner besitzen stammen noch aus sowjetischer Produktion oder aus Zeiten vor der Revolution. Ersatzteile bekommt man für solche Produkte nicht mehr. Mit 3D-Druck könnten individuelle Lösungen geschaffen werden. Es ist zwar wegen dem niedrigen Durchschnittslohn nicht zu erwarten, dass Kubaner in der nächsten Zeit massenhaft 3D-Drucker kaufen werden, aber es wäre eine Chance für kleine Unternehmen Dienstleistungen in diesem Bereich anzubieten.

Kuba hat genügend Fachpersonal, welches Open-Source-3D-Drucker selbst bauen und bedienen könnten. Es gibt auch genügend Designer, welche 3D-Modelle erstellen könnten. Mit Open Source Filament Extruder wie RecycleBot würde auch die Aufbereitung von Material für 3D-Drucker kostengünstig umsetzbar sein.

Ein größeres Problem wären die Anfangsinvestitionen für die Betriebe. Wie schon erwähnt sind die staatlichen Löhne niedrig. Insgesamt haben nur 60% der Kubaner Zugang zu Devisen. Sei es durch Arbeitsplätze bei Unternehmen mit ausländischer Beteiligung, Arbeitsstellen im Tourismus oder durch Rücküberweisungen (Remesas) von Familienmitgliedern, die im Ausland leben.

In den letzten Jahren spielen Remesas immer eine größere Rolle. Es gibt um die zwei Million Auslandskubaner. Einige von ihnen unterstützen Familienmitglieder auf der Insel beim Aufbau von Kleinunternehmen. Die kubanische Regierung sucht neuerdings auch gezielt nach Investitionen von Exilkubanern in den USA.

Verglichen mit den 3D-Druck-Dienstleistungsmärkten in Europa oder den USA ist der erwartbare Umsatz in Kuba gering, jedoch könnte die Produktionsweise durch das Fehlen von Ersatzteilen einen größeren Einfluss auf die Gesellschaft haben.

Sonderwirtschaftszone Mariel ZEDM (Foto: tcmariel.cu)
Sonderwirtschaftszone Mariel ZEDM (Foto: tcmariel.cu)

Aber auch im staatswirtschaftlichen Bereich könnte die additive Fertigung zukünftig eine Rolle spielen. 2010 begann Kuba mit der Hilfe Brasilien eine Sonderwirtschaftszone um den Hafen Mariel aufzubauen. Dieser Komplex wurde 2014 eröffnet und zog schon hunderte internationale Investoren an. Zusätzlich kündigten im Dezember 2014 der Präsident der USA und Kubas die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen. Die Annäherungen sollen nicht nur auf der diplomatischen Ebene stattfinden, sondern auch in wirtschaftlicher Sicht werden die Vereinigten Staaten das Embargo gegen Kuba lockern. Dadurch wird es nicht nur mehr Investitionen von dem großen Nachbarn im Norden geben, sondern auch für Drittstaaten werden die Geschäfte auf der Insel erleichtert.

Die Sonderwirtschaftszone von Mariel (ZEDM) bietet neben einem modernen Hafen auch steuerliche Vorteile für ausländische Unternehmen. Große Hoffnungen werden in die Biotechnologie gesetzt. Kuba gilt in diesem Bereich seit Jahren als sehr fortschrittlich. Bioprinting könnte deswegen in Kuba zukünftig einen Faktor in der Forschung darstellen. Auch in den staatlichen Medien wird in der Berichterstattung über 3D-Druck hauptsächlich ein Augenmerk auf Entwicklungen im medizinischen Bereich gelegt.

Zuckerraffinerie in Matanzas (Foto: Wikimedia Commons)
Zuckerraffinerie in Matanzas (Foto: Wikimedia Commons)

Ein weiteres Betätigungsfeld für die kubanische Wirtschaft in Sachen 3D-Druck wäre die Herstellung von Filament für 3D-Drucker aus erneuerbaren Produkten. Kuba hat ein große Zuckerindustrie. In den letzten Jahren versucht die Führung wieder verstärkt diese Industrie zu modernisieren. Neben der Herstellung von Zucker und Rum aus Zuckerrohr, werden zukünftig auch die Abfallprodukte des Zuckerrohrs bei der Verarbeitung eine Rolle spielen.

Auch die Herstellung von günstigen Kunststoff aus Zuckerrohr ist möglich. Das US-Unternehmen Dow Chemical plante schon 2011 eine Pilotanlage in Brasilien zu diesem Zweck.

Studenten der Purdue University zeigten auch im Jahr 2013 wie man aus Soja, Stärke oder Zuckerrohr Filament für 3D-Drucker erzeugen kann.

Fazit

Derzeit gibt es noch keine erkennbare 3D-Druck-Industrie in Kuba, aber durch die zaghafte Liberalisierung der Wirtschaft sowie die Verbesserung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba, ergeben sich in Kombination mit dem in Kuba vorhandenen hohen Bildungsniveau, die durch Mangelwirtschaft weitverbreitete „Maker-Kultur“ sowie den hohen Standard in der Biotechnologie, viele Möglichkeiten für den 3D-Druck im privaten, industriellen sowie im medizinischen Sektor.

Centro de Inmunología Molecular (Foto: EcuRed)
Centro de Inmunología Molecular (Foto: EcuRed)

Internationale Experten von Wirtschaftsentwicklung wie Ricardo Hausmann Harvard-Universität empfehlen Entwicklungsländern u.a. in die additive Fertigung zu investieren um die Wirtschaft anzukurbeln und nachhaltig zu verbessern. Calestous Juma sieht im 3D-Druck eine Parallele zu der Halbleitertechnologie in den 1960er-Jahren, welche zur positiven wirtschaftlichen Entwicklung von Ländern wie Taiwan geführt hat. Für die additive Fertigung sind Schlüsselpatente schon ausgelaufen und im Vergleich zu anderen Sektoren ist diese Branche noch relativ jung. Weiters sucht die kubanische Führung immer wieder neue Möglichkeiten die Wirtschaft zu erneuern um neue Quellen für Devisen zu erschließen.

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