Forschende der Technischen Universität Delft haben ein 3D-gedrucktes Modell entwickelt, das das neuronale Wachstum in einer gehirnähnlichen Umgebung ermöglicht. Mithilfe winziger Nanopfeiler ahmt das Modell die weiche extrazelluläre Matrix des Gehirns nach. Dieses System liefert neue Erkenntnisse darüber, wie Neuronen Netzwerke bilden, und könnte zukünftig zur Erforschung neurologischer Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson beitragen.
Neuronen reagieren auf die mechanischen und geometrischen Eigenschaften ihrer Umgebung. Herkömmliche Zellkulturschalen sind flach und starr, im Gegensatz zur weichen und faserartigen Struktur des Gehirns. Um dieses Umfeld besser nachzubilden, entwickelte das Team um den Wissenschaftler Angelo Accardo eine spezielle Nanopfeiler-Anordnung mit einer hochpräzisen 3D-Drucktechnik namens Zwei-Photonen-Polymerisation. Die Pfeiler, tausendmal dünner als ein menschliches Haar, sind so angeordnet, dass sie mechanische Eigenschaften simulieren, die Neuronen in ihrer natürlichen Umgebung vorfinden.
„Dies gaukelt den Neuronen vor, dass sie sich in einer weichen, gehirnähnlichen Umgebung befinden, obwohl das Material der Nanosäulen selbst steif ist. Während sie sich unter dem Krabbeln der Neuronen biegen, simulieren die Nanosäulen nicht nur die Weichheit von Hirngewebe, sondern bieten auch eine nanometrische 3D-Struktur, an der sich die Neuronen festhalten können, ähnlich wie die extrazelluläre Matrix aus Nanofasern in echtem Hirngewebe“, sagt Accardo.
Durch Variation der Höhe und Breite der Pfeiler können die Forschenden den Schermodul des Materials steuern. Die Struktur täuscht Neuronen vor, sich in einer weichen Umgebung zu befinden, obwohl das Material selbst steif ist. Dies beeinflusst das Wachstum und die Verbindung der Neuronen. Versuche mit verschiedenen Zelltypen zeigten, dass Neuronen auf dieser 3D-gedruckten Matrix gezielter und geordneter wuchsen als auf herkömmlichen 2D-Substraten.
Accardo: „Diese handähnlichen Strukturen leiten die Spitzen der wachsenden Neuronen bei der Suche nach neuen Verbindungen. Auf flachen Oberflächen breiten sich die Wachstumskegel aus und bleiben relativ flach. Aber auf den Nanosäulen-Arrays senden die Wachstumszapfen lange, fingerähnliche Projektionen aus und erkunden ihre Umgebung in alle Richtungen – nicht nur entlang einer flachen Ebene, sondern auch im 3D-Raum, ähnlich wie in einer echten Gehirnumgebung.“
Eine im Fachjournal Advanced Functional Materials veröffentlichte Studie beschreibt zudem, dass das System neuronale Reifungsprozesse fördert. Neuronale Vorläuferzellen, die auf den Nanopfeilern wuchsen, wiesen eine erhöhte Expression von Reifungsmarkern auf. Dies deutet darauf hin, dass die Umgebung nicht nur das Wachstum, sondern auch die Differenzierung der Zellen beeinflusst.
„Das Problem ist, dass Gelmatrizen, wie Kollagen oder Matrigel, typischerweise von Charge zu Charge variieren und keine rationell gestalteten geometrischen Merkmale aufweisen. Das Modell der Nanosäulen-Arrays bietet das Beste aus beiden Welten: Es verhält sich wie eine weiche Umgebung mit nanometrischen Merkmalen und bietet dank der Auflösung der Zwei-Photonen-Polymerisation eine extrem hohe Reproduzierbarkeit“, erklärt Accardo.
Das Modell könnte helfen, Unterschiede zwischen gesunden und krankhaften neuronalen Netzwerken besser zu verstehen. Während Gelmatrizen bisher als Standard für weiche Zellkulturen galten, bieten die gedruckten Nanostrukturen eine höhere Reproduzierbarkeit und präzisere geometrische Eigenschaften. Das Projekt wurde durch interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Fakultäten für Maschinenbau und Angewandte Physik an der TU Delft sowie dem ErasmusMC gefördert.