Home Forschung & Bildung Universität Stuttgart: 3D-Druck und Simulationen statt Versuchstiere

Universität Stuttgart: 3D-Druck und Simulationen statt Versuchstiere

Um Tierversuche zu vermeiden, zu verringern und zu verbessern, hat das Land Baden-Württemberg am 8. Februar ein landesweites Hochschulnetzwerk zur Verbesserung des Tierschutzes in Forschung und Lehre gegründet und stellt 3,8 Millionen Euro zur Verfügung. Zu den geförderten Projekten gehört auch das Netzwerk 3R-US der Universität Stuttgart und des Robert-Bosch-Krankenhauses Stuttgart. Die Partner entwickeln eine ex-vivo Tumorgewebe-Plattform als Ersatz für Tierversuche und setzen dabei auf molekulare Diagnostik, Biomaterialien und Simulation.

Tierversuche werden auf absehbare Zeit ein unverzichtbarer Baustein im Methodenmix der biomedizinischen Forschung bleiben. Im Sinne des Tierschutzes wie auch mit Blick auf die Qualität der Ergebnisse sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler immer darum bemüht, Tierversuche kontinuierlich zu verbessern, zu verringern oder zu vermeiden – ganz im Sinne des im deutschen Tierschutzgesetz verankerten 3R-Prinzips (Vermeidung, Verringerung und Verbesserung = Replacement, Reduction, Refinement – 3R).

Mit dem von Prof. Monilola Olayioye am Institut für Zellbiologie und Immunologie (IZI) der Universität Stuttgart koordinierten Projekt „3R-US“ wollen die Teams am IZI gemeinsam mit Forschenden vom Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme (IBBS) und Onkologen des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) die Umsetzung dieser Standards weiter vorantreiben. Ihr Ziel ist es, auf einer Plattform für die Krebsforschung Technologien und Analysemethoden zur Verfügung zu stellen, die auf primärem Tumorgewebe vom Menschen basieren und Tierversuche nach und nach ersetzen.

Dabei erforscht die Gruppe um Monilola Olayioye das komplexe Zusammenspiel zwischen den Signalnetzwerken von Onkogenen, die das Tumorwachstum fördern, und Tumor-Suppressoren, die es unterdrücken. Solche und viele andere biophysikalische und biochemische Mechanismen sorgen dafür, dass Krebszellen sich unkontrolliert ausbreiten. Es gilt also, geeignete Angriffsstellen zu finden, an denen neue Wirkstoffe andocken können, die diese Mechanismen außer Kraft setzen. So kann das Wachstum des Tumors gestoppt oder der Tumor sogar ganz zerstört werden.

„Wenn wir solche Stoffe mit möglichst wenigen oder irgendwann ganz ohne Versuchstiere testen wollen, müssen wir den komplexen Organismus eines Tumors so realistisch wie möglich abbilden“, beschreibt Olayioye die Herausforderung. Bisherige Verfahren schaffen dies nur sehr begrenzt. Bei Tests in der Petrischale mit isolierten Krebszellen in einer Nährstofflösung wird der potenzielle Wirkstoff den Zellen direkt zugeführt. Den normalen Verteilungsprozessen im Körper entspricht dies nicht. Aber auch Testsysteme, bei denen menschliche Tumorzellen oder -gewebe in Mäuse implantiert werden und dort weiterwachsen, stoßen an ihre Grenzen, denn sie bilden die Kommunikation zwischen Krebs- und Immunzellen im Menschen nicht mit ab.

Ex vivo, de novo und in silico

Deswegen suchen die Forschenden nach anspruchsvolleren Systemen, in denen Tumorzellen in drei Dimensionen wachsen und mit anderen Zelltypen interagieren können. Drei Ansätze bilden die Grundlage für 3R-US: ex vivo, de novo und in silico. Ex vivo steht für ein Verfahren, bei dem Wirkstoffe außerhalb des Organismus nicht an einzelnen Zellen, sondern an Gewebeproben getestet werden. Um die verschiedenen Zelltypen und ihr Zusammenspiel im Gewebe zu erhalten haben das Team von Prof. Walter Aulitzky am Robert-Bosch-Krankenhaus und Expert*innen vom angegliederten Institut für Klinische Pharmakologie eine Technologie entwickelt, mit der menschliche Gewebeschnitte, die „slice cultures“, kontinuierlich und kontrolliert mit Nährstoffen versorgt werden.

Weil man dieses Gewebe aber nur einmal verwenden kann, setzt das Team von 3R-US auf die Nachbildung des wertvollen Materials über eine so genannte De-novo-Technologie. Hierzu „fertigt“ es mit 3D-Druck-Verfahren gewebeähnliche Strukturen aus Biomaterialien und Zellen und kultiviert sie in einem mikrofluidischen System – winzige Kammern, die eine dosierte Zufuhr von Wirkstoffen erlauben.

„Mit Hilfe solcher Mikrosystemtechnologien können wir verschiedene biologische Strukturen wie Legosteine so zusammenbauen, dass sie den entsprechenden Tumor nachbilden“, erklärt Michael Heymann, Juniorprofessor am Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme der Universität Stuttgart. Die Daten, die im Zuge der Ex-vivo- und De-novo-Tests entstehen, sollen außerdem in den Aufbau und die Validierung von In-silico-Modellen einfließen. Durch Modellierungen und Simulationen sollen als dritter Baustein gemeinsam mit Simulationsexperten und -expertinnen realistischere Prognosen zur Wirkstoffverteilung möglich werden.

„Wenn wir die besten Wirkstoffkandidaten schon in Ex-vivo-Kultursystemen herausfiltern, können wir die Zahl der Versuchstiere für die abschließenden präklinischen Tests deutlich verringern“, sagt Prof. Roland Kontermann am IZI. „Um Tierversuche ganz zu ersetzen, bieten De-novo- und In-silico-Modelle in Zukunft große Potenziale.“ Das Wissen zu alternativen Testmodellen wollen die Forschenden mit weiteren Partnern der 3R-Initiative teilen. In den nächsten fünf Jahren soll ein institutionsübergreifendes 3R-US-Netzwerk entstehen, welches das Wissen aus Hochschule und Klinik zusammenführt, Synergien zwischen den biotechnologischen und medizintechnischen Expertisen herstellt und ein Angebot schaffen soll, mit dem auch Studierende frühzeitig für die Thematik sensibilisiert werden können.

Der Artikel basiert auf eine Pressemeldung von der Universität Stuttgart.

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