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3D-Druck: Recherche chinesischer Patente

Von Florian Werner: Man nennt es Leapfrog: China überspringt traditionelle Entwicklungsstufen der Industrie und fokussiert sich mit ganzer Kraft auf neue Technologien. Der 3D-Druck ist eine von ihnen. Mit seiner Hilfe gelingt es den Chinesen, gleich zwei ihrer Basisstrategien umzusetzen – die industrielle Fertigung für den Heimatmarkt und die Weltmärkte und die Modernisierung der Fertigungstechnologie im Rahmen des staatlichen Entwicklungsplans „Made in China 2025“. Zwar produziert das Land noch reichlich traditionell gefertigte Billigware und überschwemmt damit die westlichen Märkte, dies dient in der aktuellen Transformationsphase hin zu einer IP- und innovationsgetriebenen Ökonomie aber lediglich der wirtschaftlichen Stabilität. Die chinesischen Zukunftspläne sehen anders aus.

Die Bedeutung des 3D-Drucks zeigt sich auch in den chinesischen Patentanmeldungen. In China schnellte die Zahl der Patentanmeldungen im Bereich der additiven Verfahren in den letzten fünf Jahren auf mehrere tausend pro Jahr nach oben. Derzeit sind noch keine marktdominierenden chinesischen Unternehmen zu identifizieren, wie es im reiferen amerikanischen Markt der Fall ist. Nach einer eher flächendeckenden Anmeldungsaktivität durch Universitäten, Krankenhäuser, Forschungsinstitute sowie einer Vielzahl von Einzelerfindern versucht der von der chinesischen Regierung geförderte Verband Asian Manufacturing Association (AMA) über seine 3D-Druck-Suborganisationen, die Innovationskraft zu bündeln und zu koordinieren. Insgesamt stellt die chinesische Regierung in den nächsten drei Jahren ein Budget von 245 Millionen USD zur Förderung des 3D-Drucks zur Verfügung.

Hier entstehen neue Risiken für deutsche Unternehmen. Sie laufen Gefahr, dass chinesische Patente ihre Ausübungsfreiheit (Freedom to Operate) einschränken oder dass sie sogar selbst chinesische Patente verletzen. Tausende chinesischer Patentanmeldungen können den aufblühenden Markt des 3D-Drucks für ausländische Hersteller blockieren und zum Minenfeld machen. Dazu kommt die Gefahr, dass Marken- und Produktpiraten mit 3D-Druckern arbeiten und gedruckte Fälschungen auf den Markt werfen.

Für innovative deutsche Unternehmen ist es wichtig, den Anschluss nicht zu verpassen und für die eigenen Produkte die Entwicklungen auf dem chinesischen Markt zu analysieren. Auch zeigen Chinas Vorzeigeunternehmen wie Haier, Lenovo und Tencent durch ihre Patentanmeldungen im Bereich des 3D-Drucks, dass es jetzt wichtig ist, über den Tellerrand des eigenen Produktportfolios und der eigenen Produktionsverfahren hinauszuschauen.

Chinesische Patentdatenbanken sind dabei eine wertvolle Informationsquelle. Der Informationsgehalt von Patentrecherchen und -analysen steht und fällt jedoch mit einer intelligenten Recherchestrategie und dem Einsatz von fein selektierten chinesischen Fachtermini. Denn die meisten chinesischen Patentanmeldungen liegen lediglich in chinesischer Sprache vor und haben nur ein Patentfamilienmitglied. Maschinenübersetzungen sind bisher noch nicht genug ausgereift, um einen brauchbaren recherchierbaren Datenpool bereitzustellen. Eine Überwachung der relevanten IPC-Klassen (International Patent Classification) ist schwierig, da ständig neue Klassen geschaffen werden und die Zuordnung bei der 3D-Druck-Technologie mit ihrem inhärenten breiten Anwendungsspektrum häufig nicht einheitlich geschieht.

Spine Patent
Chinesische Patentanmeldung vom Januar 2016 für den 3D-Druck von Prothesen menschlicher Wirbel und Rippen

Die IPC-Klassenrecherche muss daher durch Keyword-Recherche ergänzt werden. Es kommt darauf an, möglichst keine Patente zu übersehen, aber auch ein zu starkes Rauschen (noise) bei der Recherche zu vermeiden. Chinesische Patentanmelder sind bekannt dafür, eine uneinheitliche Terminologie zu verwenden, sodass der Auswahl der richtigen Synonyme Schlüsselbedeutung zukommt. Additive Fertigungsverfahren (additive manufacturing) kann im Chinesischen beispielsweise sowohl als zengliang zhizao 增量制造 (wörtlich: increment manufacturing) als auch als jiceng zhizao 积层制造 (wörtlich: additive layer manufacturing) bezeichnet werden. Nicht selten werden auch die englischen Abkürzungen für additive manufacturing wie AM oder AMF (additive manufacturing file) zwischen den chinesischen Zeichen eingefügt. Klassische Recherchemethoden wie die
Trunkierungen am Wortstammende sind für die chinesische Zeichensprache ungeeignet.

Noch sind die USA bei industrieller 3D-Druck-Technologie führend. Jedoch laufen in China in Bereichen wie dem Druck von Körperteilen, Organen und Prothesen umfangreiche Experimente, die teilweise beachtliche Erfolge hervorbringen. Deutsche Unternehmen sollten diese disruptiven Technologien im Lichte des eigenen Produktportfolios analysieren und die eigene Ausübungsfreiheit auf internationalen Märkten prüfen.

 

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