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TÜV SÜD zertifiziert additiv gefertigte Druckgeräte

Foto: KI-generiert
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Additiv gefertigte Bauteile weisen eine andere Materialstruktur als konventionell gefertigte Bauteile auf. Da harmonisierte Werkstoffnormen dafür noch fehlen, ist das Inverkehrbringen für Hersteller eine Herausforderung. TÜV SÜD und ein Ventilhersteller meisterten dies mittels eines Einzelgutachtens, um die Konformität mit der Druckgeräterichtlinie (DGRL) zu gewährleisten.

Die additive Fertigung bietet fürs digitale Engineering für Konstrukteure, Entwickler und Ingenieure die Möglichkeit, komplexe und individualisierte Bauteile wirtschaftlich herzustellen. Sogar bei Druckgeräten und Druckbehältern wie Wärmetauscher, Dampfkessel, Rohrleitungen, Pumpen, Kompressoren und Ventilgehäusen. Diese kommen in der Chemie-, Lebensmittel-, Energie- und Pharmaindustrie zum Einsatz, um Flüssigkeiten und Gase unter Druck zu speichern, zu transportieren oder zu regulieren.

Dort hat sich die additive Fertigung (auch als Additive Manufacturing oder 3D-Druck bezeichnet) in den vergangenen Jahren von einer Ausnahme zu einer praktikablen Alternative entwickelt. Das Verfahren haben Konstrukteure, Entwickler und Ingenieure ausgearbeitet, um den steigenden Bedarf an flexiblen und individuell anpassbaren Lösungen zu bedienen – unter Einhaltung der strengen Anforderungen der DGRL.

Doch auf dem Weg von der innovativen Idee bis zur Marktreife additiv gefertigter Druckgeräte liegen technische und regulatorische Herausforderungen. Denn durch die additive Fertigung im Pulverbett (auch „selektives Laserschmelzen“ oder „Laser Powder Bed Fusion“, kurz LPBF) entstehen völlig neue Werkstoffeigenschaften gegenüber der konventionellen Herstellung von Druckgeräten aus metallischen Werkstoffen.
Die europäische Druckgeräterichtlinie (2014/68/EU) definiert Anforderungen für Druckgeräte, die einem Überdruck von mehr als 0,5 bar ausgesetzt sind. Sind diese Anforderungen abgedeckt, ist davon auszugehen, dass ein Druckgerät sicher und zuverlässig verwendet werden kann. Für additiv gefertigte Bauteile bedeutet die DGRL jedoch: Jedes Bauteil und jeder eingesetzte Werkstoff muss eine gesonderte Prüfung und Zulassung durchlaufen, da noch keine harmonisierten Werkstoffnormen für die additive Fertigung existieren.

Fallbeispiel Ventil- und Armaturentechnik

TÜV SÜD hat mit seiner Expertise in der Zertifizierung von Druckgeräten die additive Fertigung bei einem Ventilhersteller begutachtet und auf Konformität mit der DGRL geprüft. Das Projekt ist ein Meilenstein in der Weiterentwicklung von Druckgeräten und zeigt, wie Komponenten mit neuen Fertigungstechnologien sicher und effizient in den Markt kommen.

Der Anbieter von Ventil- und Armaturentechnik wollte seine Produktpalette flexibler gestalten und auf den wachsenden Bedarf an individualisierten Lösungen reagieren. Er nutzt selektives Laserschmelzen (SLM) das Metallpulver Schicht für Schicht zu Bauteilen verbindet. So produziert das Unternehmen unter anderem Stellventile in völlig neuen Geometrien, die mit herkömmlichen Verfahren wie Gießen oder Fräsen schwer realisierbar wären – auch kleine Serien und Prototypen.

Der Ventilhersteller hat TÜV SÜD beauftragt, das additive Fertigungsverfahren auch für die Serienproduktion zu prüfen und zu zertifizieren. Benannte Stellen wie TÜV SÜD unterstützen Hersteller und begutachten, ob Werkstoffe, Verfahren und Halbzeuge in der additiven Fertigung mit der DGRL konform sind. Halbzeuge sind vorgefertigte industrielle Rohformen, die noch weiterbearbeitet oder verarbeitet werden, um später zu einem fertigen Endprodukt zu werden.

Werkstoff-Einzelgutachten als Schlüssel

TÜV SÜD setzt in diesem Zusammenhang auf Werkstoff-Einzelgutachten (Particular Material Appraisal, PMA). Das PMA bestätigt die Erfüllung der notwendigen Werkstoffeigenschaften bezogen auf den Einsatzzweck mit dem Ziel, die wesentlichen Sicherheitsanforderungen der Druckgeräterichtlinie Anhang I Nr. 4 zu erfüllen. Die zugehörigen Regeln für Berechnung, Konstruktion und Herstellung werden berücksichtigt. Hierzu werden detaillierte Werkstoffanalysen und -prüfungen durchgeführt. Für die DGRL-Zertifizierung verweist das PMA auf die Werkstoffspezifikation des Herstellers. Dabei geht es nicht nur um die Prüfung der Festigkeit und Sicherheit der Bauteile, sondern auch um eine vollständige Rückverfolgbarkeit der Herstellungsprozesse – von der Materialprüfung des eingesetzten Metallpulvers bis hin zu zerstörenden und zerstörungsfreien Prüfungen an den fertigen Bauteilen.

Besonders im Fokus standen Prüfmethoden, die für additiv gefertigte Bauteile mit komplexen Geometrien aus neuen Werkstoffen geeignet sind. Deshalb ergänzten die Expertinnen und Experten die Standardprüfverfahren mit Computertomographie. So stellten sie sicher, dass auch kleinste Materialfehler erkannt werden und die mechanische Eignung der Bauteile verlässlich nachgewiesen wird.

Serienfertigung trotz fehlender harmonisierter Norm

Der Ventilhersteller stellt nun verschiedene Komponenten in additiver Fertigung her, die im Rahmen eines umfassenden Zertifizierungsprozesses nach den strengen Vorgaben der Druckgeräterichtlinie erfolgreich geprüft und zertifiziert wurden. TÜV SÜD war von Anfang an eingebunden und begleitete den gesamten Prozess von der Materialprüfung des Metallpulvers über die mechanischen Belastungstests bis hin zur finalen CE-Zertifizierung.
Mithilfe des PMA-Verfahrens konnte der Ventilhersteller die additiv gefertigten Druckgeräte DGRL-konform auf den Markt bringen und sogar in Serie fertigen – obwohl harmonisierte Werkstoffnormen für diese Herstellungsweise bislang fehlen. Das neu entwickelte Zertifizierungsprogramm ermöglicht nun auch anderen Herstellern, Druckgeräte nicht nur additiv zu fertigen, sondern rechtssicher in Verkehr zu bringen.

Gunther Kuhn, Leiter Produktmanagement bei TÜV SÜD Industrie Service

Gunther Kuhn arbeitet seit 1989 bei TÜV SÜD. Nach verschiedenen Positionen innerhalb der Unternehmensgruppe ist er derzeit Leiter des Produktmanagements und Innovationsmentor für das Geschäftsfeld Anlagensicherheit bei TÜV SÜD Industrie Service. Darüber hinaus leitet er die Zertifizierungsstelle für Werkstoff- und Schweißtechnik sowie das akkreditierte Prüflabor. Vor über zehn Jahren hat er bei TÜV SÜD begonnen die Prüfung und Zertifizierung der additiven Fertigung zu etablieren.
Kontakt
TÜV SÜD Industrie Service GmbH

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gunther.kuhn@tuvsud.com

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