So drucken Sie biokompatible Produkte in 3D

Fachbeitrag von Niko Mroncz, Sales Engineer Xometry Europe

Für die Herstellung von medizinischen Geräten ist der 3D-Druck perfekt, und wird dort bereits in vielen Bereichen eingesetzt. Es gibt gedruckte Gelenke, Katheter, Sonden,  Knochenplatten; aber auch Hilfen wie Zahnersatz, Hörgeräte oder Herzschrittmacher gelingen additiv. Biomaterial für die Herstellung von Implantaten muss oft langfristig am oder im Körper verbleiben und daher ganz bestimmte Eigenschaften haben. Es darf zum Beispiel nicht  abgestoßen werden.

Mit Hilfe der additiven Produktion können Teile exakt auf den jeweiligen Patienten angepasst werden. Teilweise geschieht diesogar vor Ort in einer Klinik oder Praxis, denn auch Einrichtungen arbeiten inzwischen mit eigenen Druckern. Bei der 3D-Produktion von biokompatiblen Produkten müssen aber besondere Werkstoffe und Herstellungsmethoden beachtet werden.

Die richtigen Materialien

Biokompatible Materialien oder Biomaterialien sind natürliche oder synthetische Materialien, die in engem Kontakt mit lebendem Gewebe funktionieren oder sogar einen Teil eines lebenden Systems ersetzen können. Diese Werkstoffe bilden eine Schnittstelle zu biologisch aktiven Systemen.

Die Zertifizierung der Biokompatibilität von medizinischen Werkstoffen und Produkten erfolgt nach ISO 10993, die Leitlinien für Verwendung und Test von biokompatiblen Materialien als Teil einer umfassenderen Risikomanagement- und Risikominderungsstrategie auflistet.

Wer lediglich eine Oberflächenkompatibilität benötigt, kann Implantate aus einem nicht-biokompatiblen Werkstoff mit einer biokompatiblen Schicht wie Proteinen überziehen. Ist das Implantat in Form und innerer Struktur (zum Beispiel Faserstärke) an das Empfängergewebe angepasst, so spricht man von struktureller Biokompatibilität.

Die meisten 3D-Technologien können biokompatible Kunststoffe, Elastomere und Metalle für Prototypen und Funktionsteile einsetzen. Selbst komplexe Teile können perfekt im biokompatiblen 3D-Druck angepasst werden – das ist für die Medizinindustrie ein entscheidender Aspekt. So kann ein in Einheitsform und -größe gefertigtes Hörgerät zwar nicht jedem Ohr bequem passen. Es ist aber möglich, dieses für individuelle Ohrmaße zu drucken.

Liste der geeigneten Materialien für biokompatiblen 3D-Druck:

Polyamide 12 (Nylon PA)

Ein sehr vielseitiges, leichtes, korrosions- und chemikalienbeständiges Material. Es ist zudem zäh und flexibel, mit hoher Zug- und Schlagfestigkeit. Nylon PA12 kann mit Ethylenoxid, Chemikalien, Gammabestrahlung, Gasplasma und Dampfautoklaven sterilisiert werden. Wird im MJF-, SLS- und FDM-Verfahren verwendet. Als medizinisches Material ist Nylon PA-12 nach ISO-10993 zertifiziert und nach USP-Klasse I-IV getestet. Wird üblicherweise in der Prothetik und für intramedulläre Stäbe verwendet.

Silicone (Sil 30)

Dies ist ein hitzebeständiges, reißfestes und hochflexibles biokompatibles Elastomer. Es wird häufig bei der Herstellung von tragbaren Produkten mit Hautkontakt wie Atemschutzmasken, verwendet. Entspricht der ISO 10993-5 und 10993-10 und kann mit Carbon DLS gedruckt werden.

CE 221

Cyanat-Ester (CE 221) ist bekannt für seine Festigkeit, hohe Temperatur- und Chemikalienbeständigkeit. Biokompatibel, wird es sterilisiert mit Dampfautoklav, Ethylenoxid (EtO), Gamma-Bestrahlung und Elektronenstrahl. Geeignet unter anderem für Katheter und Spritzen.

EPX 82

Epoxy 82 verfügt über gute chemische, thermische und UV-Stabilität – das macht es zu einem vielseitigen Material für zahlreiche Anwendungen. Seine Schlagfestigkeit und Hitzebeständigkeit ermöglichen Temperaturwechselbeständigkeit, so dass es für den Dauereinsatz bei unterschiedlichen Temperaturen geeignet ist. Eine hohe Auflösung ermöglicht zudem präzise und genaue Konstruktionen. Gemäß ISO 10993-5 und -10 auf Toxizität und Reizung getestet, wird es mit Dampfautoklav, Ethylenoxid (EtO), Gammabestrahlung und Elektronenstrahl sterilisiert. Gedruckt im Carbon DLS 3D-Druck..

RPU 70

Steifes Polyurethan 70 besitzt hohe Festigkeit, funktionelle Zähigkeit und hohe Duktilität. Es kann mit Carbon DLS 3D-Druck gedruckt werden, entspricht der ISO 10993-5 und 10993-10 und ist biokompatibel. Sterilisiert wird mit Dampfautoklav, Ethylenoxid (EtO), Gamma-Bestrahlung, Elektronenstrahl.

FPU 50

Ein halbstarres Material mit integraler Elastizität, die es widerstandsfähig gegen Abrieb, Materialermüdung und Stöße macht. FPU 50 ist biokompatibel und hat die Anforderungen an die Biokompatibilität nach ISO 10993-5 bestanden. Es kann mit Ethylenoxid (EtO), Gammabestrahlung und Elektronenstrahl sterilisiert und in Carbon DLS 3D-Druck gefertigt.

True Silicone

Echtes Silikon ist das einzige reine Silikonmaterial, das für den 3D-Druck verfügbar ist. Es ermöglicht die Produktion von leistungsstarken, biokompatiblen Drucken in vier verschiedenen Shore-Härten (A20, A35, A50, A60). Echtes Silikon entspricht ISO 10993. Das Material wird in großem Umfang in den Bereichen Industrie-, Personal- und Medizinprodukte eingesetzt. Es kann mittels Stereolithographie (SLA) gefertigt werden.

ABS M30i

Auch dies ist ein verbreiteter Thermoplast in der Medizinindustrie. Es ist nicht nur biokompatibel, sondern auch durch Gammabestrahlung, Ethylenoxid und Gasplasma sterilisierbar. Das Material ist ISO-zertifiziert und entspricht den USP-Klassen I – IV. Wird häufig zur Herstellung von medizinischen Geräten und detaillierten anatomischen Modellen verwendet. Einsatz auch in der Prothetik möglich. ABS M30i ist zäh und hat eine hohe Zug- und Schlagfestigkeit. Es wird mit FDM gedruckt.

PC ISO

Dieses Material wird häufig zur Herstellung von Formen, Prototypen und maßgefertigten chirurgischen Führungen verwendet. PC ISO hat zwar eine geringere Oberflächenqualität als Nylon PA12. Es ist aber stark und hitzebeständig mit hoher Zugfestigkeit. Zudem außerdem ist es biokompatibel, wenngleich nur kurzfristig, und kann durch Gammabestrahlung und Ethylenoxid sterilisiert werden. PC ISO wird in FDM gedruckt.

Polyetherimide (ULTEM 1010)

Im Vergleich zu anderen FDM-Thermoplasten ist ULTEM 1010 mit am stärksten und beständigsten gegen Hitze und Chemikalien. Zudem ist es ausgesprochen biokompatibel und kann mit Gammabestrahlung, Ethylenoxid, Gasplasma und Dampfautoklav sterilisiert werden. ULTEM 1010 wird für den Druck von chirurgischen Führungen, Prototypen und in der Prothetik verwendet.

Edelstahl (17-4PH)

Dieses hochfeste kann mit unterschiedlichen Methoden sterilisiert werden. Weil die Korrosionsbeständigkeit jedoch nur von kurzer Dauer ist ist Edelstahl besonders für Implantate weniger geeignet als Titan und Kobaltchrom. Es eignet sich aber hervorragend für chirurgische Werkzeuge und temporäre Implantate. Gedruckt wird es mit dem Direkten Metall-Laser-Sintern (DMLS).