Innovationen in der Implantattechnik dank Metal 3D-Druck
Kreative Geometrielösungen zur Wirbelsäulenrekonstruktion – Generative Fertigungsmethoden eröffnen Innovationen der Implantattechnik aus Titan.
Elastisches Scheibenimplantat von Tsunami kann in „einem Schuss“ generativ hergestellt werden.
Ein „starkes Rückgrat“ zählt nicht nur redensartlich zu den Tugenden. Auch unter medizinischen Aspekten ist eine gesunde Wirbelsäule sehr wesentlich für die Lebensqualität und Mobilität des Menschen. Um Probleme mit der Wirbelsäule zu beheben, werden u.a. technische Bauteile aus Kunststoffen oder Metallen minimalinvasiv in den Körper eingebettet. Diese Implantate können aus der Sicht von Patienten und Chirurgen „kleine Wunder“ in der Wirbelsäulenrekonstruktion bewirken: So kann der Patient durch kleine Eingriffe in kurzer Zeit erneut leistungsfähig werden und sich auf die Stützfunktion seiner Wirbelsäule verlassen.
Hinter diesen Implantaten stecken in Design, Funktionalität und Fertigung eine Menge Know-how. Wir informierten uns bei CEO Stefano Caselli von Tsunami Medical Srl aus Modena über Trends und Produktentwicklung bei Wirbelsäulenimplantaten. Tsunami versteht sich als Systementwickler für Wirbelsäulenimplantate . Daher werden sowohl Implantate, die die Funktionalität einer geschädigten Wirbelsäule wieder herstellen, als auch Hilfsmittel oder Instrumente, die es den Chirurgen erlauben eine Operation erfolgreich zu gestalten, angeboten. Zielsetzung ist es, die Wirbelsäule zu verstärken und so die Mobilität des Patienten zu gewährleisten.
Konventionelle Wirbelsäulenkäfige
Wirbelsäulenkäfige (engl. spine cage) sind Implantate für den Niveauausgleich und zur Druckentlastung der Wirbelsäule. Diese Implantate werden üblicherweise in Verbindung mit Schrauben aus Titan minimalinvasiv eingesetzt, wenn die Bandscheiben dem Patienten Probleme bereiten. Zum Einsatz kommen nun Kunststoff-Käfige aus PEEK (Polyetheretherketone), einem Hochleistungskunststoff, welcher ausgezeichnet biokompatibel ist. Dies gilt auch für Allergiker. In der Vergangenheit waren diese Käfige aus Titan konventionell gefertigt worden, mit der Folge, dass in einzelnen Fällen das Titanbauteil die Knochenstruktur negativ beeinflusste. Grund war die gegenüber dem Knochen deutlich geringere Elastizität. PEEK hat gegenüber Titan den entscheidenden Vorteil, dass es ein dem Knochen vergleichbares Kompressionsverhalten bzw. Elastizität (E-Modul) aufweist. PEEK-Körper verursachen im MRT (Magnetresonanztomographie) zudem keine Bildartefakte und können so vom Operateur bildgebend gut lokalisiert werden. PEEK-Wirbelsäulenkäfige haben den Nachteil mangelnder Integration in die Knochenstruktur und nach einer längeren Verwendung müssen sie eventuell neu plaziert werden, weil sie verrutschen. Polyetheretherketon ist ein hochtemperaturbeständiger thermoplastischer Kunststoff, der zur Stoffgruppe der Polyaryletherketone gehört. Seine Schmelztemperatur beträgt 335 °C.
Moderne, lasergeschmolzene Wirbelsäulenkäfige
Das generative Laserschmelzverfahren mittels LaserCUSING konnte die Vorteile bisheriger Titan- oder PEEK-Ansätze für die Anwendung „Wirbelsäulenkäfige“ zusammenführen und die Nachteile beider Ansätze ausschalten. Ein lasergeschmolzenes Bauteil kann nun die Biokompatibilität von Titan mit der gewünschten Elastizität eines Kunststoffes in einem Bauteil abbilden. Lasergeschmolzene Wirbelsäulenkäfige haben eine komplexe Geometrie und müssen nicht nachbehandelt werden , um eine optimale Oberflächenstruktur zu gewährleisten. Der Clou dieser Lösung: Durch die Geometrie mit partiell unterschiedlichen Dichteverteilungen (eingebettete Netzstrukturen) kann die notwendige Elastizität eines Titanteils nun genauso ausgelegt werden, wie bei PEEK-Lösungen.
Im Laserschmelzverfahren hergestellte Käfige können zudem in verschiedenen Dimensionen, die von den anatomischen Gegebenheiten des Patienten abhängen, wirtschaftlich hergestellt werden. Diese Käfige können also für den Patienten individuell gedruckt werden. Stefano Caselli spricht „von einer echten Innovation, bei der die materialspezifischen Vorzüge vereint werden konnten: Biokompatibilität, also das Einbetten in die
„Lobster“-Distanzhalter als bewegliche Funktionselemente zur primären Stabilisierung der Wirbelsäule
Neuentwicklung: Scheibenprothese als Einstufen-Bauteil
In der Konstruktion von Bauteilen kann man bei einer generativen Fertigungsstrategie völlig neue Wege gehen. Eine weitere Innovation, die sich aus den Möglichkeiten des additiven LaserCUSING-Verfahrens bei Tsunami ergab, war die Konstruktion einer auf den Patienten anpassbaren Scheibenprothese, die als Distanzstück die Wirbelsäule ebenfalls verstärkt. Sie besteht aus einer Oberschale und einer Unterschale, die beide mit einer Doppelfeder verbunden sind. Die Schalen weisen eine Oberfläche auf, die sich ideal in die Wirbelarchitektur einpasst. Die Doppelfeder besteht aus Titan und im Kern befindet sich eine Silikonfüllung zur Dämpfung der Bewegungen der Doppelfeder. Auslegung bzw. Distanzdimension können spezifisch an die Anatomie des Patienten, nach Maßgabe des Chirurgen, angepasst werden.
Funktionen der Scheibenprothese im Detail
Tsunami war im Vorfeld in mehrfacher Hinsicht mit seinen Kompetenzen gefordert: Zum einen galt es, die Erfahrung in der Wirbelsäulenrekonstruktion in eine Produktlösung zu übertragen, die dem Patienten eine hohe Mobilität ermöglicht. Die Scheibenprothese gewährleistet eine Bewegungsfreiheit von 360º, was die Mobilität des Patienten enorm unterstützt