3D-Druck Anwendungen: Gaspedal für den Prototypenbau

Der Maschinenbauer TRUMPF, der sich auf den Metall-3D-Druck spezialisiert hat, hat mit dem österreichischen Zerspanungswerkzeug-Spezialisten CERATIZIT einen Use Case für die additive Fertigung ausgeführt.

Für gute Ideen hat Lothar Schmid ein feines Gespür. Als Innovation Manager bei der CERATIZIT Austria GmbH im österreichischen Reutte braucht er das. Schließlich soll er Neuentwicklungen voranbringen. Schmid muss also wissen, wie der Markt tickt, gleichzeitig vielversprechende Ansätze aus der Fertigung erkennen und beides zusammenbringen. Der 3D-Druck passte daher ideal zu seinen Aufgaben.

Die Idee dafür kam vom Geschäftsführer selbst. „Er wollte die additive Fertigung bei uns im Haus haben, um Dinge probieren zu können“, erinnert sich Schmid. Als CERATIZIT die erste Anlage kaufte, gab es also noch keine konkrete Anwendung dafür. „Am Anfang stand die Faszination für die Technologie“, sagt Schmid. Doch die ersten Einsatzmöglichkeiten ließen nicht lange auf sich warten. Das österreichische Werk ist Teil der internationalen CERATIZIT-Gruppe, einem Hersteller für Hartstofflösungen, genauer gesagt von Schneidstoffen und Werkzeugen für die Zerspanung und Lösungen für den Verschleißschutz. In Reutte produziert das Unternehmen neben Formrohlingen und Strangpressprodukten aus Vollhartmetall auch Wendeschneidplatten, die auf Trägerwerkzeuge aus Stahl aufgeschraubt werden, um damit Metalle und andere Werkstoffe zu zerspanen.

Radikale Beschleunigung

Bisher gab es allerdings einen Flaschenhals: „Die Trägerwerkzeuge für die Wendeschneidplatten fertigen wir bisher in Bulgarien. Diese Prototypen benötigen wir in vielen Varianten“, erläutert Schmid. Die konventionelle Fertigung dauert vom Auftrag bis zum fertigen Teil in der Regel mehrere Wochen. Das ist lang. Doch mit dem 3D-Druck stand dem CERATIZIT-Team auf einmal ein vielversprechendes Werkzeug zur Verfügung, mit dem Potenzial, diesen Prozess radikal zu beschleunigen. „Wir haben beschlossen zu testen, wie wir Laser Metal Fusion (LMF) einsetzen können, um schneller einen fertigen Prototyp auf dem Tisch zu haben“, erinnert sich Schmid.

CERATIZIT setzte also auf Geschwindigkeit und legte los. Dabei nutzte das Team die Flexibilität des 3D-Drucks. „Bei der konventionellen Fertigung, verursacht zum Beispiel jede kleine Winkeländerung einen neuen Iterationsschritt. Das heißt: wir machen einen Prototyp, testen ihn und merken im Zweifel, dass wir die Winkel noch etwas verändern müssen. Im schlechtesten Fall starten wir nochmals einen Lauf, verlieren so weitere zwei Monate und haben erst in einem halben Jahr ein Ergebnis auf dem Tisch liegen. Den Kunden interessiert das dann schon lange nicht mehr, da er andere Lösungen gefunden hat“, gibt Schmid zu bedenken. Anders beim 3D-Druck: „Je nach Größe passen gleich mehrere Bauteile auf die Plattform. Wir können diese mit unterschiedlichen Features parallel aufbauen. Das verschafft uns völlig neue Gestaltungsmöglichkeit. Außerdem können wir Dinge auch einfach mal ausprobieren, ohne viel Material und Zeit zu verschwenden.“

In diesem Ausprobieren sieht Schmid die große Chance des 3D-Drucks. Dies setzt aber ein völlig neues Denken bei der Konstruktion voraus. „Das war eine der größten Herausforderungen an unsere Konstrukteure, dass sie wegkommen von der konventionellen Denkweise und nun viel freier gestalten dürfen“, sagt Schmid. „Wir haben zum Glück Mitarbeiter, die sich da richtig reinfuchsen.“ Ein guter Dialog zwischen Konstruktion und Maschinenbediener sei dabei das A und O. Durch Ausprobieren habe CERATIZIT viel dazu gelernt.

„Das Schöne an der Technologie ist ja: Wenn wir einen Versuch machen und merken, das war jetzt doch übers Ziel hinausgeschossen, dann haben wir die Druckzeit und das Pulver verbraucht, mehr nicht.“ Und die Möglichkeiten seien enorm, gerade bei Fräsern mit komplexen Innenstrukturen und Innenkühlungen von Werkzeugen ließen sich diese Fähigkeiten des 3D-Drucks noch viel stärker ausnutzen. „Die Spielwiese wird dadurch riesig, denn wir haben nun völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten.“

Das gilt auch für neue Materialzusammensetzungen. Hier setzt CERATIZIT derzeit noch auf bewährte Kombinationen und arbeitet im 3D-Druck mit einer ähnlichen Zusammensetzung wie in der konventionellen Fertigung. „Die Werkstoffe zu verändern, ist aber ganz klar ein Ziel. Gerade in der Zerspanung können andere Werkstoffe wie Aluminium oder Titan für den Leichtbau sehr interessant sein. Festigkeitstechnisch wird es spannend, andere Stahlwerkstoffe einzusetzen“, betont Schmid.

Stimmiges Gesamtkonzept

CERATIZIT fertigt auf einer TruPrint 3000 und hat den 3D-Druck-Bereich mittlerweile um eine kleinere TruPrint 1000 erweitert. Vor der Investitionsentscheidung fand ein genaues Technologiescreening statt: „Für uns war wichtig, dass es einen geschlossenen Prozess gibt. TRUMPF war da sehr weit voraus. Auch für die gesamte Peripherie, die man beim 3D-Drucken mitberücksichtigen muss, wie etwa die Pulveraufbereitung, war das Konzept sehr stimmig.“

Auf der Mittelformatmaschine TruPrint 3000 kann CERATIZIT im großen Bauraum mit einem Durchmesser von 300 x 400 Millimetern bis zu fünf Bauteile gleichzeitig aufbauen und so unterschiedliche Varianten schnell und flexibel fertigen. „Wo wir bisher bis zu drei Monate bis zum fertigen Prototyp benötigt haben, ist er nun schon nach zwei Wochen da“, freut sich Schmid. Nach und nach sollen die Stückzahlen wachsen. Dass sich die Bau- und Vorratszylinder schnell wechseln lassen, spart dabei zusätzlich Rüstzeiten. „Und wir können Toleranzen gewährleisten, die in der klassischen Herstellung ein absolutes Muss sind. Das hätte ich vom 3D-Druck in dieser Dimension nicht gedacht“, zeigt sich Schmid beeindruckt.

Auf der TruPrint 1000 will das Unternehmen künftig noch flexibler unterschiedliche Werkstoffkombinationen testen. Mit der Option Multilaser, arbeiten zwei Laser gleichzeitig. Auf der Anlage will CERATIZIT in naher Zukunft neben Prototypen auch Kundenteile in Kleinserien herstellen.

Große Augen beim Ersttest

Die Faszination für den 3D-Druck ist also weiterhin groß und die ersten Ergebnisse sorgten beim CERATIZIT-Team für leuchtende Augen: „Als wir den ersten Fräser auf der TruPrint 3000 gefertigt hatten und im Zerspanungslabor Tests damit starteten, standen wir alle mit Sicherheitsbrille und in respektvollem Abstand da. Als wir dann gesehen haben, mit welcher Zerspanungsleistung das Werkzeug arbeitet, haben alle große Augen gemacht“, erinnert sich Schmid und die Begeisterung ist ihm immer noch anzuhören.

Der Artikel basiert auf einen Bericht von TRUMPF und CERATIZIT