Keramik 3D-Druck leistet Beitrag zur Entwicklung sauberer Kernenergie
3D-gedruckte Keramik unterstützt europäische Forscher bei der Auslegung eines innovativen Kernreaktors. Mit diesem EU-Projekt sollen Super-GAUs unmöglich, Atommüll-Radioaktivität drastisch verringert und Isotope für die Krebsforschung erzeugt werden.
Projektidee
MYRRHA ist die Bezeichnung eines innovativen und ehrgeizigen europäischen Projektes zur Entwicklung der nächsten Generation sauberer und sicherer Atomkraftwerke. Mit einem Budget von ca. 1,6 Milliarden Euro soll bis 2036 im belgischen Mol ein neuartiger Kernreaktor entstehen, der drei essenzielle Verbesserungen gegenüber den heutigen Kraftwerken aufweist:
- Durch die sogenannte „Transmutation“ wird die Radioaktivität des Atommülls drastisch reduziert, was die Endlagerung laut Schätzung von ca. 300.000 Jahren um den Faktor 1000 auf nur noch 300 Jahre verkürzt
- Der Reaktorkern ist so konzipiert, dass er im Störfall direkt abschaltet und so ein Super-GAU unmöglich ist
- Neben der wissenschaftlichen Forschung werden im Reaktor zudem lebensnotwendige Radioisotope für die Krebsforschung und Therapie erzeugt
In der momentan laufenden Designphase untersucht das Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit (ITES) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) die Zuverlässigkeit thermohydraulischer Komponenten des Forschungsreaktors in Belgien. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Performance der im Reaktorkern liegenden hexagonalen Brennstabbündel aus Edelstahl, die von einem flüssigen Bismut-Blei-Gemisch als Kühlmittel umströmt werden. Durch Bildung von Bleioxiden oder der Ablagerung anderer Fremdstoffe in der Metallschmelze kann eine sogenannte „Verblockung“ entstehen, die die Kühlung des Reaktors negativ beeinflusst.
3D-Nachstellung des Metalloxides aus Keramik
In der Vergangenheit wurden verschiedenste metallische Drahtgitterstrukturen getestet, um die erwähnte Verblockung des Kühlmittelstroms abzubilden. Allerdings konnten diese Testreihen die Vorgaben nur bedingt erfüllen. Daher entschied man sich für eine 3D-gedruckte Keramik aus ZrO2, um folgende Vorteile nutzen zu können:
- Keramik bietet die nötige thermische und chemische Stabilität für die aggressive Umgebung im Testreaktor
- ZrO2 weist eine niedrige Wärmeleitfähigkeit (WLF) auf, die der Leitfähigkeit des Metalloxides bestmöglich entspricht und daher die Verlässlichkeit der Simulation erhöht
- Die porösen Strukturen des Metalloxides können im 3D-Druck detailgetreu nachgestellt werden (siehe schematische Darstellung des Bauteils), um so den Strömungswiderstand der Verblockung ideal zu simulieren
- Durch die Flexibilität des 3D-Druckes ist eine Anpassung der Geometrie einfach umsetzbar. Das Durchlaufen mehrerer Iterationen ermöglicht es, die passende Geometrie für eine optimale Performance des Bauteils in der Simulation zu finden
Technische Herausforderungen im keramischen 3D-Druck
Der 3D-Druck kann die gestellten Anforderungen besser abbilden als andere Herstellungsverfahren. Dennoch sind einige Herausforderungen im Prozess zu meistern:
- Die Geometrie muss druckbar und – fast noch wichtiger – reinigbar sein. Das „Postprocessing“ (Reinigen) der Bauteile ist durch die hohe Packungsdichte stark erschwert
- Übliche Strukturen wie Gyroid oder Diamantgitter haben keine isotrope Fluidität, daher musste eine neue geometrische Struktur entwickelt werden, um die Verblockung realistisch abzubilden
- Die Kombination aus hoher Komplexität und dünnen Verbindungsstegen erhöht das Risiko für Fehler im Druckprozess. Um dies zu vermeiden, müssen die Druckparameter individuell an die Geometrie angepasst werden
Ausblick
Hat der Artikel Ihr Interesse geweckt? Unter https://hilgenberg-ceramics.de/news/ veröffentlichen wir regelmäßig Anwendungsbeispiele, um Ihnen die Möglichkeiten des keramischen 3D-Druckes näher zu bringen. Dort finden Sie auch unsere Kontaktdaten, falls Sie weitere Rückfragen haben.
Nähere Informationen zu den Aktivitäten unserer Partner am KIT finden Sie unter www.ites.kit.edu.