Ford und trinckle automatisieren den Designprozess für additiv gefertigte Produktionsmittel und Werkzeuge

Bei Ford kommen seit Jahren additiv gefertigte Produktionsmittel und Werkzeuge in Fertigung und Montage zum Einsatz. Bis zu 50% der Kosten fallen dabei für die Erstellung der Konstruktionsdaten an. Um die Anwendungen von Additive Manufacturing (AM) zu skalieren, arbeitet Ford mit dem Softwareunternehmen trinckle an der Automatisierung der Konstruktionserstellung. Der Anwendungsfall wird am 13. November 2018 auf der TCT conference @ Formnext vorgestellt.

Die additive Fertigung (AM) für die Herstellung von Produktions- und Hilfsmitteln, beispielsweise Handwerkzeugen wie Schablonen und Lehren einzusetzen, ist keine neue Idee – weder bei Ford, noch bei anderen Automobilherstellern. Die Vorteile dieser Einsatzmöglichkeit liegen auf der Hand: vergleichsweise geringe Produktionskosten angesichts kleiner Stückmengen, geringeres Gewicht als ihre konventionell gefertigten Vorgänger und eine schnellere Verfügbarkeit im ungeplanten Bedarfsfall. Allein bei Ford werden heute mehr als 50 verschiedene additiv gefertigte Werkzeuge in der Serienfertigung eingesetzt.

Mit dieser AM-Anwendung können Automobilhersteller bereits heute Kosten senken – im Gegensatz zu vielen anderen Innovationen im Bereich AM, die zweifellos spektakulärer sein mögen, sich aber frühestens in einigen Jahren auszahlen werden. Fälle wie diesen könnte man als „Low-hanging fruit“ bezeichnen.

Lars Bognar und Raphael Koch, verantwortliche Ingenieure bei Ford Research & Advanced Engineering Europe wollten sich damit jedoch noch nicht zufriedengeben und betrachteten den Anwendungsfall ganzheitlich am Beispiel einer Typenlehre – einem Handwerkzeug mit dem Fahrzeugtyp- und Serienbezeichnungen auf der Fahrzeugkarosserie positioniert werden, um sie passgenau aufzukleben.

„Nicht mehr die additive Fertigung selbst stellt bei uns den dominierenden Kostenblock und Engpass für die Skalierbarkeit des Anwendungsfalles dar. Bis zu 50% der Gesamtkosten pro Werkzeug entstehen im Zuge der manuellen Konstruktion. Für jede neue Serie und jede Sonderedition müssen diese Werkzeuge konstruiert werden, um die entsprechenden Bezeichnungen (Badges) millimetergenau zu positionieren. Diese Konstruktion ist keine triviale Aufgabe, da sich die Werkzeuge genau an den Freiformflächen des Karosserieblechs anpassen müssen. Leicht können zwischen zwei und vier Stunden für die Erstellung eines AM-gerechten Designs anfallen. Zeit, welche die ohnehin stark ausgelasteten Konstrukteure nur schwer aufbringen können. Wenn der Bedarfsfall nicht mit hinreichender Vorlaufzeit auftritt, kann sich im schlimmsten Fall die Montage herauszögern, da die entsprechenden Werkzeuge nicht zur Verfügung stehen. Für uns war es an der Zeit, den Designprozess von Grund auf neu zu denken und so kamen wir auf das Team von trinckle.“

 – Lars Bognar, Ford Research & Advanced Engineering Europe

Das Berliner Softwareunternehmen trinckle ist spezialisiert auf automatisiertes Design und Produktkonfiguration im Bereich der additiven Fertigung. Mit der Cloud-Software paramate entwickelt trinckle industrieübergreifend Software-Applikationen zur automatisierten Konstruktion von AM-Designs, die sogar den jeweiligen Nutzer selbst in den Designprozess einbinden können.

Für Ford erarbeitete trinckle eine interne Anwendung zur effizienten Erzeugung von Typenlehren innerhalb weniger Minuten. Innerhalb einer intuitiven Benutzeroberfläche lädt der Anwender lediglich die Modelldaten der Karosserie und der zu platzierenden Schriftzüge ein. Anschließend fügt er per Mausklick einige Standardelemente wie Handgriffe, Magnetaufnahmen zur Fixierung, Anschläge zur Positionsbeschränkung und Beschriftungsfelder hinzu. Die zugrundeliegenden Algorithmen der paramate Software generieren daraufhin automatisch die Geometrie des Werkzeugs – passgenau für die Kontur der Karosserie.

Der Designprozess dauert nicht mehr 2-4 Stunden, sondern lediglich 10 Minuten. Dabei ist dieser in der Handhabung so einfach, dass weder die Qualifikation eines CAD-Konstrukteurs noch Expertise im AM-gerechten Design erforderlich sind, um schnell zu einem funktionsfähigen Werkzeug zu kommen. So sind auch Mitarbeiter an der Montagelinie in der Lage, Werkzeuge zu konstruieren. Während Feedbackschleifen zwischen Werkzeuganwender und Konstrukteur zuvor mit einer hohen Komplexität verbunden waren, sind Anwender nun befähigt, selbstständig Optimierungsiterationen der Werkzeuge vorzunehmen.

„Mit der Software-Applikation von trinckle reduzieren wir nicht nur manuelle Designzeiten und -kosten dramatisch, sondern können den gesamten Prozess vereinfachen. Wir befähigen unsere Mitarbeiter in der Produktion zu mehr Verantwortungsübernahme und entlasten gleichzeitig unsere Konstrukteure. Diese können sich nun intensiver mit ihren Kerntätigkeiten beschäftigen.“

– Raphael Koch, Ford Research & Advanced Engineering Europe

Für Lars Bognar und Raphael Koch ist die automatisierte Erstellung von Typenlehren ein erster, wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Viele weitere additiv gefertigte Werkzeuge sollen zukünftig einer ähnlichen Automatisierung unterzogen werden.

Wer mehr über den Anwendungsfall erfahren möchte, kann dies auf der Formnext (13.11.2018 – 16.11.2018) in Frankfurt tun. Am 13.11.2018 präsentieren Lars Bognar und Dr. Ole Bröker, Head of Business Development von trinckle, das gemeinsame Projekt in einem Vortrag auf der TCT conference @ Formnext. Darüber hinaus ist das Projekt am trinckle Stand C07 in Halle 3.0 zu sehen.