NexD1 – Betrug oder einfach übernommen? – Update: Suspendiert

Bei der Kickstarter-Kampagne zum NexD1 Multimaterial 3D-Drucker wird, wie bei den meisten Crowdfunding Projekten, das Blaue vom Himmel versprochen – eh klar – in dieser Phase geht es einmal darum so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu bekommen.

25. Jänner 2017 – Falls das Prinzip des Crowdfundings noch nicht bekannt ist, hier eine kleine Erklärung: Unternehmen, oft Startups, entwickeln ein Produkt oder eine Idee. Um die Finanzierung dieses Projekts zu beziehen, richtet man sich bei Crowdfunding an die Endkunden selbst. Nur selten ist bei diesem Zeitpunkt das Produkt fertig entwickelt, bereit für die Produktion oder bereit für eine Lieferung. Es ist nicht unüblich Jahre auf das Produkt zu warten.

Next Dynamics hat sich das sportliche Ziel gesetzt im Februar 2017 mit dem Design fertig zu sein, die ersten Lieferungen bereits im April an Beta-Kunden zu schicken und im Juli mit der Massenproduktion zu starten.

Manchmal kann es auch sein, dass das Startup den Erwartungen nicht gerecht wird und unter dem Druck und der Komplexität einer Produktentwicklung bzw. der Massenproduktion zusammenbricht. Der Ärger der Crowd, die sich als Unterstützer (engl. backer) bezeichnen, ist dann meist unhaltbar und schlägt den Nagel in den Sarg.

Kickstarter ist eine Plattforme bei der eine eine kritische Masse erreicht wird. Diese sieht sich selbst als Vermittler und übernimmt keinerlei Versicherung – weder für Unternehmen noch Unterstützer. Dieser Umstand ist natürlich auch für kriminelle Gedanken nicht ganz uninteressant. Bei sehr offensichtlichen Betrügereien greift die Plattform zwar durch und stoppt die Kampagne, aber dennoch kommt es vor, dass es zu Problemen kommt. Manche Unternehmer sind auch einfach von dem plötzlichen Geldsegen überwältigt und machen sich, wie im Fall des Peachy Printers, damit aus dem Staub.

Hier ein Auszug aus den Trust & Safety “Bestimmungen” von Kickstarter:

Kickstarter is not a store. People aren’t buying things that already exist — they’re helping to create new things. Creating things isn’t always easy. Some projects will go wonderfully, and others will run into obstacles. Be prepared for a little bit of each.

Creators are responsible for their projects. When you back a project, you’re trusting the creator to do a good job, so if you don’t know them personally or by reputation, do a little research first. Kickstarter doesn’t evaluate a project’s claims, resolve disputes, or offer refunds — backers decide what’s worth funding and what’s not.

In weniger als zwei Tagen läuft die Kampagne von dem Berliner Startup Next Dynamics ab und in den Kommentaren auf Kickstarter geht es rund. Viele Unterstützer ziehen aufgrund der Ungewissheit und dem Zweifel der Echtheit des Projekts ihr Geld wieder zurück.

Als ich die Kampagne des NexD1 zum ersten mal gesehen habe, habe ich mir nicht mehr wirklich viel dabei gedacht. Genau wie fast jedes Projekt auf Kickstarter wird in einem übertriebenem Marketing Video versprochen, was das neue Produkt nicht alles kann und können wird. Eine sehr unverwechselbare Kickstartermusik untermalt Aussagen, wie man sie oft in der Politik erlebt – das beste, größte, revolutionärste und was-auch-immer. Auch hier nichts Neues. Und doch gehen die Wogen bei diesem Projekt besonders hoch.

Die Kampagne für den NexD1 hat bereits mehr als 400.000€ von über 270 Unterstützern gesammelt, es waren laut Kicktraq bereits über 550.000€ – Tendenz weiter sinkend.

Warum zweifeln jetzt, nach der anfänglichen Euphorie, so viele Leute an diesem Projekt? Naja, ich will einmal die offensichtlichen Probleme herausstreichen:

  • Kosten: Ein Preis von knapp 2.500€ für ein Gerät.  Maschinen (Stratasys Objet500 oder J750) mit vergleichbarer Technologie kosten mehr als 100.000€.
  • potentielle Patentverletzungen: PolyJet und Multi-Jet Modeling (MJM) sind geschützte Verfahren von Stratasys und 3D Systems. Bei diesem Verfahren wird ein flüssiger Kunststoff auf die Bauplattform getropft und mit UV-Licht oder einer anderen Energiequelle ausgehärtet. Auch der Hersteller Memjet, der Druckköpfe für piezo Flüssigkeiten patentiert hat, hat sein Recht gegen HP sein Recht verteidigt.
  • Materialien: Leitende Materialien und Farben in einem Objekt zu drucken ist von aus der Hard- und Software Sicht  nicht ganz so leicht. Der NexD1 soll bis zu sechs Materialien in einem Vorgang mischen können.

Diese Grundsätzlichen Hürden sind aber nicht unüberwindbar. Alles steht und fällt mit dem Druckkopf. Falls dieser sehr viel kostengünstiger herzustellen ist als die von Stratasys und 3D Systems verbauten Druckköpfe, könnte Next Dynamics das neue Formlabs werden.

Formlabs hatte schon 2012 eine günstige Alternative zu SLA 3D Drucker für den Desktop über Kickstarter gestartet und ist nun ein angesehener Hersteller für Desktop SLA Geräte. Aber auch Formlabs musste sich vor Gericht gegenüber 3D Systems beweisen. Das dauerte Jahre, brachte das Unternehmen jedoch nicht zu Fall.

In dem nachstehenden Video wird das wasserlösliche Support-Material des NexD1 gezeigt. In den Kommentaren wurde von den skeptischen Unterstützern unterstellt, dass dieses Video gefälscht wurde. Sowohl der Druckvorgang als auch das Support-Material.

https://youtu.be/ZtZtGR6i4q4

Als Partner in puncto Materialien konnte Next Dynamics den Materialspezialisten isquared gewinnen. Ich habe mit Jan-Michael Stepper, dem Geschäftsführer von isquared, telefoniert. Bei dem Support-Material handelt es sich um eine von isquared zum Patent eingereichte Lösung. Das Material zeichnet sich durch seine besondere Löslichkeit aus, ist wirklich echt und kann bereits über den Hersteller bezogen werden. Also handelt es sich in dem Video nicht um Gele, welches von manchen Backern unterstellt worden ist.

Trotzdem bleibt eine besondere Herausforderung für Next Dynamics: Die Mischung der unterschiedlichen Materialien während des Druckvorgangs. Wir werden erst sehen, wie dies in den weiteren Prototypen umgesetzt wird.

Ein NexD1 Unterstützer (KRS) ist sogar in das FabLab Berlin, der aktuelle Firmensitz von Next Dynamics, gefahren um die Maschine in Aktion zu begutachten. Wurde aber vertröstet, da wegen eines Umzugs in eine größere Räumlichkeit, der Prototyp nicht mehr im FabLab war. Daraufhin wurde er zu Ludwig, dem Gründer nach Hause eingeladen, wo er den Druckvorgang gezeigt bekommen hat. Aber er konnte das Objekt nicht sehen (via https://justpaste.it/12pu0):

I saw the print head move from side to side as in the video, but as it was in the very beginning i was unable to see the print happening. I then left and since didn´t see the print happening nor any other as I had hoped to see today.

Es kann durchaus sein, dass der Druckkopf bei der Demonstration gestreikt hat und Ludwig es nicht eingestehen wollte. Wir können die Aussage von KRS auch nicht bestätigen. Übrigens wird viel über die Anzahl der Kommentare bei dem Projekt berichtet. Aktuell sind es über 1.000 Kommentare. Über 150 davon sind von KRS.

Ein weiterer Punkt sind die Testausdrucke des NexD1:

Die beiden farbigen Ausdrucke bauen die Skepsis weiter auf. Diese könnten über Shapeways bezogen worden sein. Auch Bathsheba Grossman, der Schöpfer des Designs, meldet sich zu Wort und sieht sein Copyright verletzt:

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Dieser hat die 3D-Daten nicht öffentlich gemacht und vertreibt diese nur über Shapeways. Ein weiterer Punkt welcher Skepsis gegenüber der Echtheit der Samples regt. Auch die Echtheit der Videos des Druckvorgangs wird von den Unterstützern angezweifelt:

  • Die Objekte sind hinter den Druckkopf gestellt worden und nicht wirklich gedruckt worden,
  • der UV Laser kommt von weiter oben und nicht vom Druckkopf
  • und die Walze bewegt sich im Video nicht.

Was spricht gegen die Argumente der Kommentierenden:

  • Die Wellenlänge von UV-Licht ist für das menschliche Auge im nicht sichtbaren Bereich, auch die Kamera fängt dieses eventuell nicht ein.
  • Gerade bei Videos auf Youtube macht die Komprimierung die Qualität nicht gerade besser,
  • bei Timelapsevideos werden Fotos zusammengefügt, deshalb sind Bewegungen die zwischen diesen Fotos passieren nicht sichtbar.

Natürlich könnten wir noch ewig weiter diskutieren und argumentieren ob das Projekt echt oder nicht. Wir werden es nicht sobald herausfinden.

Es gilt abwarten und Tee trinken!

Für mich persönlich sieht es nach einer guten Idee aus, die von einem total überforderten Team gestartet wurde und viel zu viele Erwartungen geweckt hat. Für einen Betrug würde hier schon ein bisschen viel Aufwand betrieben – ist aber natürlich nicht auszuschließen. Next Dynamics verfügt einfach nicht um die Ressourcen das Produkt bzw. den Druckkopf weiterzuentwickeln, zeitnah auf Anfragen zu reagieren und die kritische Community zu befriedigen. Und das ist auch nicht das erste Mal, dass dies einem Startup auf Kickstarter passiert, siehe zB. Pirate3D.

Für die ganze Kontroverse gibt es eine einfache Lösung – unterstützt keine Projekte auf Kickstarter, denen ihr nicht vertraut. Lehnt euch zurück und wartet ab! Wenn das Produkt so toll ist, kann man warten, bis es in Massen produziert wird und über den normalen Handel verfügbar ist.

Ich hab meine Hoffnungen noch nicht aufgegeben! Wenn das Team von Next Dynamics es schafft den Druckkopf in Massen zu produzieren und dieser hält das Versprochene in Punkto Qualität und Genauigkeit hält kann der NexD1 wirklich ein revolutionäres Produkt werden!

 

Wir haben sowohl Kickstarter als auch Ludwig von Next Dynamics kontaktiert und für beide Anfragen keine Antwort erhalten.

Änderung: Zuvor wurden die Kommentierenden von mir als Mob bezeichnet. Ich habe diese Bezeichnung wegen dem negativ behafteten Beigeschmack geändert.

 

26. Jänner 2017 – Update: Kickstarter Kampagne wurde beendet

Kickstarter hat die Kampagne für den NexD1 suspendiert. Unsere Redaktion ist bereits in Kontakt mit dem Team der Crowdfunding-Platform. Sobald wir mehr wissen, werden wir diese Informationen mit euch teilen.