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Tecnica definiert mit LFOS-Technologie Präzision im SLS/SLM 3D-Druck neu – Interview mit Charles Bibas

Tecnica ist auf die Verfahren des Selektiven Lasersinterns und des Selektiven Laserschmelzens spezialisiert und entwickelt sowie fertigt industrietaugliche 3D-Drucker und Druckköpfe für die Herstellung von Kunststoff- und Metallteilen. Das Anfang 2014 von Charles Bibas und Diana Rozenblum gegründete Unternehmen mit Sitz in New York hat den innovativen Ansatz des High-Definition (HD) SLS und SLM entwickelt. In einem Interview mit 3Druck.com teilt Gründer Charles Bibas sein Fachwissen über die patentierte Technologie.

Tecnica hat die erheblichen Kosten erkannt, die mit Software-Patches und Hardware-Korrekturen verbunden sind, die galvanometerbedingte Ungenauigkeiten nur verringern, aber nicht beseitigen, und hat daher einen eigenen Ansatz entwickelt: High Definition (HD) SLS/SLM. Kernstück ist die patentierte Lens Free Optical Scanner (LFOS) Technologie. 

Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden werden bei LFOS nur Spiegel verwendet, um den Laserstrahl präzise zu fokussieren und über die Bauplattform zu lenken. Dieser innovative Ansatz stellt sicher, dass der Laserstrahl konstant im Fokus und senkrecht zur Oberfläche bleibt, wodurch die bei galvanometergestützten Systemen auftretenden Verzerrungen und Qualitätsprobleme eliminiert werden können. 

Konventionelle Galvanometer erzeugen dagegen einen Strahl, der in Größe und Form variiert, da sich der Brennpunkt auf einer sphärischen Oberfläche befindet, während das Druckbett flach ist, was die Genauigkeit der Teile und die Materialbeschaffenheit beeinträchtigt. Um diese Herausforderungen zu meistern, setzen Hersteller oft auf teure F-Theta-Linsen und komplexe Positionierungssysteme.

Drucker und Druckköpfe von Tecnica

Tecnica bietet die Systeme Casa II und Casa II Pro als Einstiegslösungen für den polymerbasierten 3D-Druck mit einem Bauvolumen von 120 x 95 x 150 mm an. Für Original Equipment Manufacturers (OEMs) bietet Tecnica Druckköpfe (von Tecnica auch „Light Engines“ genannt) in zwei Konfigurationen an: A95 und A150, mit einer Scanbreite von 95 mm bzw. 150 mm. Diese Druckköpfe können in Systeme mit den Abmessungen 95 x Y x Z oder 150 x Y x Z integriert werden, wobei die Abmessungen Y und Z vom Systemanbieter festgelegt werden.

Casa II SLS Polymer 3D-Drucker (Bild: Tecnica)

Ein wesentlicher Vorteil der LFOS-Technologie von Tecnica ist ihre systemeigene Skalierbarkeit. Im Gegensatz zu galvanometergestützten Systemen, bei denen die Genauigkeit von der Druckergeometrie beeinflusst wird, bleibt die optische Präzision des LFOS unabhängig von der Systemgröße konstant. So kann ein Hersteller beispielsweise einen 150 x 500 x 500 mm großen 3D-Drucker mit der Light Engine von Tecnica konstruieren, wobei die Gesamtgenauigkeit des Systems in erster Linie durch die Qualität der Aktuatoren und nicht durch optische Einschränkungen bestimmt wird.

Das Unternehmen entwickelt derzeit die A400 Light Engine, die in den Optima-Metalldrucker integriert werden wird, der im vierten Quartal 2025 auf den Markt kommen soll.

Interview mit Charles Bibas

In einem Interview mit 3Druck.com erläutert der Gründer Charles Bibas die Vorteile der HD SLS/SLM-Technologie von Tecnica gegenüber herkömmlichen galvanometergestützten 3D-Druckern und teilt sein umfassendes Wissen auf diesem Gebiet. Er äußert sich auch zu anderen wichtigen technologischen Fortschritten im Bereich der Additiven Fertigung sowie zu möglichen zukünftigen Entwicklungen in diesem Sektor.

Welche Probleme treten bei herkömmlichen galvanometerbasierten 3D-Druckern auf, die mit der HD SLS/SLM-Technologie von Tecnica gelöst werden können?

ALLGEMEINE EINSCHRÄNKUNGEN UND AUSWIRKUNGEN

Die Probleme mit der Galvanometer-Scanfähigkeit sind nicht neu. Während die Halbleiterindustrie diese Probleme für Arbeitsflächen mit einem Durchmesser von etwa 50 mm in der Medizin für Scanbereiche von 3 x 3 mm gelöst hat, um eine Auflösung von 9 Mikrometern für das Scannen der Netzhaut zu erreichen, sind diese Lösungen bei einer Skalierung nicht ideal für SLS/SLM-Anwendungen. 

Abbildung 1: Funktionsprinzip eines herkömmlichen SLS/SLM-3D-Druckers mit zwei Galvanometern (Bild: Tecnica)

Konventionelle SLS/SLM-Drucker verwenden Galvanometer und Linsen, um den Laserstrahl schnell über das Druckbett abzulenken. Dieser Ansatz bietet zwar Funktionalität, hat aber seine Grenzen, insbesondere bei größeren oder hochpräzisen Drucken:

  • Geschwindigkeit – Die Bewegung des Galvanometers stellt eine physikalische Barriere für hohe Druckgeschwindigkeiten dar.
  • Genauigkeit – Eine präzise Strahlsteuerung wird bei größeren Scanfeldern schwieriger, was zu einer ungleichmäßigen Qualität der Teile führt.
  • Bindungsenergie – Uneinheitliche Energieverteilung über die Voxel führt zu Schwankungen in der Bindungsstärke zwischen benachbarten Voxeln.
  • Komplexität – Multilasersysteme, die für größere Fertigungsvolumina erforderlich sind, bringen zusätzliche Herausforderungen bei der Wartung und Kalibrierung mit sich.

HERAUSFORDERUNGEN BEI DER SCHICHTHAFTUNG

Beim 3D-Druck mit SLS/SLM werden benachbarte Voxel (volumetrische 3D-Pixel) gesintert, um ein Teil Schicht für Schicht zu bilden. Die Limitierungen des galvanometergestützten Scannens werden bei der Schichthaftung noch deutlicher, so dass es schwieriger wird, starke und gleichmäßige Verbindungen zwischen den Schichten herzustellen.

Der Einfallswinkel (der Winkel zwischen dem Laserstrahl und der Normalen zur Oberfläche) spielt eine entscheidende Rolle für eine optimale Bindung. Jede Abweichung von einem senkrechten Winkel (ein einfallender Strahl von 0°) wirkt sich sowohl auf die Genauigkeit als auch auf die Integrität der Mikrostruktur negativ aus.  Selbst wenn ein System mit geschlossenem Regelkreis eingesetzt wird und der Laserstrahl exakt auf der obersten Schicht positioniert wird, verschiebt sich die Verbindung zwischen den Schichten aufgrund des nicht unter 0° einfallenden Strahls, wie in Abbildung 2 zu sehen ist.

Abbildung 2: Auswirkungen des Einfallswinkels auf den Ort und die Integrität der Mikrostruktur (Bild: Tecnica)

Zusätzlich zu den bereits erwähnten Faktoren ergeben sich bei der Arbeit mit galvanometergestützten Systemen mehrere praktische Herausforderungen:

  • Linearitätsfehler: Der Galvanometerspiegel wird von einer Motorsteuerung angetrieben, die bestimmte Positionen vorgibt. Allerdings gibt es oft eine Diskrepanz zwischen der befohlenen und der tatsächlichen Position, die als Linearitätsfehler bezeichnet wird. Dieser Fehler, der in Radianten gemessen wird, wird normalerweise vom Galvanometerhersteller angegeben.
  • Offset-/Drift-Fehler: Offset-/Drift-Fehler treten auf, wenn das Galvanometer von seinem Ursprung abweicht, was sich auf die Positionierung aller nachfolgenden Koordinaten auswirkt. Diese Fehler, die ebenfalls im Bogenmaß gemessen werden, werden durch die Temperatur beeinflusst und erfordern eine genaue Überwachung. Durch Echtzeitkorrekturen können die Auswirkungen von Offset-/Drift-Fehlern gemildert werden.
  • Wiederholbarkeitsfehler: Der Wiederholbarkeitsfehler bezieht sich auf die Unregelmäßigkeit bei der Rückkehr zu einer bestimmten Position. Dieser in Radianten gemessene Fehler ist ein weiterer Faktor, der die Genauigkeit beeinflusst.

Diese Winkelfehler werden in lineare Abweichungen umgewandelt, die auf der Geometrie des 3D-Druckers basieren, insbesondere auf dem Abstand zwischen dem Galvanometer und der Druckoberfläche.

Durch ein umfassendes Verständnis dieser Herausforderungen hat Tecnica fortschrittliche SLS/SLM-Technologien entwickelt, die diese Einschränkungen effektiv angehen, was zu einer überlegenen Genauigkeit und Beständigkeit führt.

TECNICA’S HD SLS/SLM MIT LFOS

Die HD SLS/SLM-Technologie von Tecnica überwindet diese Einschränkungen mit dem innovativen LFOS-System wie folgt:

Entwicklung eines optischen Scanners, bei dem der Fokus des Laserstrahls per Definition auf einer ebenen Oberfläche liegt und daher keine Korrekturen oder Linsen erforderlich sind, mit folgendem Ergebnis: 

  • Unerreichte Geschwindigkeit: LFOS macht den Einsatz von Galvanometern überflüssig und ermöglicht so deutlich schnellere Scangeschwindigkeiten und eine drastische Reduzierung der Druckzeiten.
  • Überlegene Genauigkeit: Die direkte Laserstrahlmanipulation durch LFOS gewährleistet eine außergewöhnliche Präzision über das gesamte Druckbett, was zu hochauflösenden Teilen führt.
  • Vereinfachtes Design: Ein einziger, skalierbarer Laser eliminiert die Komplexität, die mit Multi-Laser-Setups verbunden ist, was zu höherer Zuverlässigkeit und geringerem Wartungsbedarf führt.
Abbildung 3: LFOS fokussiert den Strahl konstruktionsbedingt auf eine ebene Fläche (Bild: Tecnica)

DIE NÄCHSTEN SCHRITTE VON TECNICA

Die LFOS-Technologie bietet erhebliche Möglichkeiten zur Verbesserung der Qualitätssicherung (QA) und Qualitätskontrolle (QC) in der Additiven Fertigung:

  • In-situ Schreib-Lese-Fähigkeit: Dank der konstanten optischen Weglänge („optical path length“, OPL) kann LFOS mit Hilfe eines Strahlenteilers und der optischen Kohärenztomografie („optical coherence tomography“, OCT) gleichzeitig Voxeldaten schreiben und lesen. Dies ermöglicht die Echtzeit-Bildgebung und -Analyse der aktuellen Schicht und bis zu 2 mm darunter liegender Schichten (je nach Material). Durch die Erkennung von Anomalien während des Druckprozesses kann das System Korrekturmaßnahmen einleiten oder den Prozess anhalten, um Defekte zu vermeiden.
  • Temperaturüberwachung in Echtzeit: LFOS kann auch Echtzeit-Temperaturmessungen einzelner Voxel liefern. Durch den Einsatz eines Strahlteilers, der die von der Oberfläche reflektierte Energie einfängt, kann das System die Temperaturverteilung innerhalb des Bauvolumens genau bestimmen. Diese Informationen sind von unschätzbarem Wert für die Optimierung der Prozessparameter und die Gewährleistung einer gleichbleibenden Teilequalität.

Die Additive Fertigung hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Welche weiteren Innovationen oder technologischen Durchbrüche halten Sie für die Branche für besonders wichtig?

Charles Bibas

Die HD SLS/SLM Technologie von Tecnica ist zwar ein bedeutender Fortschritt, aber die AM-Branche entwickelt sich ständig weiter. Hier sind einige andere wichtige Innovationen, die man im Auge behalten sollte:

Multimaterialdruck: Die Kombination verschiedener Materialien in einem einzigen Bauprozess öffnet die Tür für komplexe Funktionsteile.

Hybride AM-Verfahren: Die Integration von AM mit traditionellen Fertigungstechniken ermöglicht eine größere Designfreiheit und Funktionalität der Teile.

Nachhaltige Materialien: Die Entwicklung umweltfreundlicher Materialien wird die Umweltauswirkungen von AM minimieren.

Erst Corona und nunmehr die hohe Inflation sind große Herausforderungen für die gesamte Branche. Wie wirken sich die verschiedenen Krisen Ihrer Meinung nach auf die Additive Fertigung aus?

Die COVID-19-Pandemie und die Inflation stellen für die AM-Branche eine Herausforderung dar. Die Vorteile der additiven Fertigung, wie z. B. die Produktion auf Abruf und die Anpassung an Kundenwünsche, könnten sich jedoch als vorteilhaft erweisen, wenn es darum geht, Unterbrechungen in der Lieferkette abzufedern.

Welche Auswirkungen wird die Additive Fertigung Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren auf verschiedene Branchen und möglicherweise auf die Gesellschaft insgesamt haben?

Die additive Fertigung wird sich auf verschiedene Branchen erheblich auswirken. Von der personalisierten Medizin über Leichtbaukomponenten für die Luft- und Raumfahrt bis hin zum Rapid Prototyping und der On-Demand-Fertigung verspricht AM die Art und Weise zu revolutionieren, wie wir Objekte entwerfen, entwickeln und produzieren.  

Dieses Versprechen wird sich erst dann erfüllen, wenn ein maschinenbezogener Standard vollständig genutzt wird (d. h. wenn im Voraus bekannt ist, welche Toleranzen eine Maschine liefern kann). Ein maschinenbezogener Standard wird das Vertrauen der Verbraucher in die 3D-Industrie stärken.

Die Additive Fertigung (AM) steht kurz davor, die Industrie zu revolutionieren – von der personalisierten Medizin über Leichtbau in der Luft- und Raumfahrt bis hin zum Rapid Prototyping und der Produktion auf Abruf. Die Verwirklichung dieses transformativen Potenzials hängt von der weit verbreiteten Annahme maschinenzentrierter Normen ab, die genaue Toleranzen und Fähigkeiten für verschiedene AM-Systeme festlegen. Indem sie klare Leistungsmaßstäbe setzen, werden diese Normen das Vertrauen der Verbraucher in die 3D-Druckindustrie erheblich stärken. Tecnica hat Pionierarbeit bei der Entwicklung eines maschinenbezogenen Standards geleistet, der in der Lage ist, die Leistung eines jeden galvanometergestützten Systems zu quantifizieren.

Hier finden Sie weitere Informationen zu Tecnica.

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