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Glatt und günstig: 3D-Druckteile im Vapour Smoothing nachbearbeiten

So nutzen Sie dieses junge Verfahren für sich und vermeiden Fehler bei der Anwendung. Fachbeitrag von Niko Mroncz, Sales Engineer Xometry Europe.

Der 3D-Druck ist perfekt für die Produktion von Kleinserien. Bei Kunststoffteilen gibt es aber einen großen Nachteil gegenüber traditionellen Herstellungsverfahren: Die Oberflächen sind meist grob. So hinterlassen Pulverbettschmelzverfahren wie SLS und MJF eine matte, würfelzuckerartige Oberfläche. Beim FDM wiederum zeigen sich deutliche Schichtlinien. Stehen optische Aspekte im Vordergrund, wählen Entwickler daher bislang noch meist andere Verfahren wie Spritzguss, maschinelle Bearbeitung oder Urethan-Gussteile.
Die noch junge Technologie der chemischen Dampfglättung (Vapour Smoothing) verändert die Lage dramatisch. Das Verfahren glättet die Oberfläche von 3D-Drucken und verbessert deren mechanische Leistung durch verdampfte Lösungsmittel. Additiv produzierte Kunststoffe sind damit so gut wie nie zuvor für die Kleinserienproduktion geeignet. Das Nachbearbeitungsverfahren funktioniert bei den meisten 3D-gedruckten Polymeren und Elastomeren.

Was geschieht bei der chemischen Dampfglättung?

Ein Verfahren des Vapour Smoothing ist PostPro3D des Anbieters AMT. Wir vermitteln es über unsere Produktionsplattform Xometry und haben daher bereits Erfahrungen in der Anwendung gesammelt. Im Gegensatz zu physikalischen Glättungsverfahren wie Schleifen oder Gleitschleifen wird beim Dampfglätten kein Material auf dem Werkstück entfernt. Vielmehr wird ein Dampfglättungsmittel (FA 326) zusammen mit den Bauteilen in eine abgedichtete Bearbeitungskammer eingeführt.

Die Teile werden in der 600 x 400 x 400 mm großen Kammer gestapelt oder aufgehängt, um die dem Dampf ausgesetzte Oberfläche zu maximieren. Der Dampf erzeugt an der Oberfläche eine kontrollierte chemische Schmelze. Diese reduziert Spitzen und Täler, indem das Material verflüssigt und umverteilt wird und so die Oberfläche glättet. Durch die Schmelze entsteht zudem ein höherer Glanz des Materials.

Sobald die Teile fertig sind, wird die Kammer beheizt und das Finishing-Mittel in einen Auffangbehälter abgelassen. Es verbleiben keine Rückstände auf den geglätteten Teilen. Diese sind nun bereit für den Versand oder für weitere Verfahren.
Die Vorteile

Dampfgeglättete Teile sehen deutlich besser aus, ihre Oberflächenbeschaffenheit ist vergleichbar mit der von Spritzgussteilen. So haben Standard SLS-Teile in der Regel eine Oberflächenrauheit von mehr als 6.4µm Ra. Mit chemischem Dampfglätten kann die Rauheit auf unter 3.2µm Ra und bis zu 1µm Ra verbessert werden. In Studien wurden durch chemisches Dampfglätten Materialoberflächen sogar um bis zu 1000 Prozent verbessert. Dabei bleibt zu beachten, dass beim chemischen Dampfglätten das Oberflächenmaterial neu verteilt wird. Man erhält eine versiegelte, glatte, jedoch keine polierte Oberfläche. Es bleibt eine sichtbare Oberflächentopologie und minimale Schichtlinien erhalten.

Die chemische Dampfglättung kann die Lebensfähigkeit von 3D-Drucken in der Lebensmittelverarbeitung, bei medizinischen Geräten und Konsumgütern erheblich verbessern. Sie wird daher für Endanwendungen in diesen Bereichen empfohlen. Vor allem dampfgeglättete 3D-Drucke aus Nylon 12 reduzieren die Anhaftung und das Wachstum von Bakterien im Vergleich zu Standard-3D-Drucken aus Nylon 12. Studien haben gezeigt, dass Vapour Smoothing bei SLS- und MJF-Teilen mehrere Biokompatibilitäts- und Sicherheitstests besteht.

Zu den weiteren Vorteile des Vapour Smoothing zählen verbesserte Zug-, Dehnungs- und Biegeeigenschaften, eine deutlich reduzierte Feuchtigkeitsaufnahme sowie der geschlossene Kreislauf und wiederholbare Verarbeitungsergebnisse.

Design-Tipps für das Vapour Smoothing

  • Runden Sie scharfe Innenecken ab, damit keine Hohlräume entstehen
  • Wände und Elemente sollten stärker als ein Millimeter sein, damit es nicht zu Verformungen kommt
  • Achten Sie auf gleichbleibende Wandstärken, ähnlich wie beim Spritzguß
  • Es können Rüttelspuren sichtbar werden, je nach Halterung des Werkstücks während der Bearbeitung
  • Flexible Materialien, etwa TPU 88A, können mehr Oberflächenfehler aufweisen als starre Materialien

So vermeiden Sie Defekte durch das Vapour Smoothing

Im Folgenden zeigen wir die häufigsten Probleme, die nach unserer Erfahrung beim Vapour Smoothing auftreten. Schon bei der Konstruktion können Sie diese vermeiden.

Bridging

Die Oberfläche kann während der Verflüssigungsphase des Vapour Smoothing Blasen werfen. Das Material bildet dann eine dünne Schale, die kleine Spalten oder Wände von scharfen Ecken verbindet. Diese Brückenbildung kann durch einen größeren Abstand zwischen den Lücken sowie durch Hinzufügen großer Radien an scharfen Innenecken gemildert werden.

Bubbles/Blistering

Ähnlich wie bei der Brückenbildung entstehen Blasen an der Oberfläche während des Verflüssigens. Größere Blasen bleiben möglicherweise während der Entfernung des Lösungsmittels bestehen und härten aus. Typischerweise sind diese an breiten, flachen Oberflächen und scharfen inneren Spalten zu finden.
Vermeiden Sie deshalb breite, ebene Flächen; organisch geformte Flächen sind weniger anfällig für eine Blasenbildung. Radien an Innenecken helfen ebenfalls, Blasen und andere Defekte zu verringern.

Bites

Während des Dampfglättungsprozesses werden die Bauteile mit Hilfe von Haken oder Klammern aufgehängt. Haken hinterlassen nur minimale Abdrücke auf der Innenseite der Aufhängungsöffnung. “Bissspuren” hingegen entstehen durch die Abdrücke von Klammern. Solche Abdrücke sind bei weicheren Materialien wie TPU stärker ausgeprägt. Planen Sie möglichst ein Loch zum Einhaken und Einspannen des Teils ein, anstatt es einzuklemmen.

Edge Pooling

Abrupte Drehungen an flachen Seiten von Teilen können zu einer sichtbaren Beule an der Kante führen. Die Unebenheiten entstehen, wenn das verflüssigte Material durch die Schwerkraft zur Kante wandert und dort erstarrt. Kantenabrundung und Pooling können die Toleranzen beeinträchtigen. Radien an scharfen Kanten von Features mit flachen Seiten helfen, eine Ansammlung von flüssigem Material zu minimieren.

Fleckenbildung

Auf der Oberfläche heller Materialien erscheinen nach dem Prozess winzige dunkle Flecken. Diese Sprenkelung ist in der Regel bei natürlichen Oberflächen sowie bei Oberflächen in helleren Farben stärker ausgeprägt. Färben Sie Materialien daher in dunkleren Farben wie Schwarz, Grün oder Blau ein oder wählen das Material gleich so aus. Sprenkel sind darauf weniger sichtbar.

Löcher

Unbeabsichtigte Löcher können auf sehr dünnen Flächen entstehen. Dabei hat sich die Oberfläche auf jeder Seite der dünnen Wand so weit verflüssigt , dass die Mitte vollständig fließt und sich ein Loch bildet, wenn das Material wieder aushärtet. Achten Sie auf eine Wandstärke von mindestens 1 mm. Diese Mindestwandstärke wird generell für die meisten additiven Verfahren empfohlen und hilft auch, andere Probleme zu vermeiden.

Unvollständige Eigenschaften

Beim Dampfglätten können auskragende oder lange dünne Vorsprünge verkürzt oder unvollständig geformt werden. Dies geschieht, weil sich die Spitzen verflüssigen, bewegen und wieder verfestigen, sobald das Lösungsmittel verdampft. Vermeiden Sie bei der Gestaltung Merkmale mit einer Wandstärke von weniger als 1 mm, wie scharfe Spitzen oder Messerkanten.

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