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Anleitung: Gratis Reverse Engineering

Mit kostenloser Software lässt sich ein 3D-Scan (STL) in ein CAD-Format (STEP) umwandeln. Diese Umwandlung wird als Reverse Engineering bezeichnet. Manchmal wird diese Umwandlung auch Flächenrückführung genannt, das wäre in diesem Fall aber nicht korrekt, da es sich um eine Rekonstruktion in ein Volumenmodell mittels direkter Modellierung handelt.

Um diesem Tutorial zu folgen, braucht es die kostenfrei erhältlichen Programme Netfabb (Version 7.4.0) und FreeCAD.

  • Netfabb wird zur Vermessung der STL-Datei verwendet. (Man kann auch direkt in FreeCAD vermessen, allerdings hat sich Netfabb hier bewährt)
  • In FreeCAD erfolgt die CAD-Rekonstruktion und somit die Erstellung der STEP-Datei.

Wir haben für dieses Tutorial als Beispielobjekt einen defekten Tankgeber aus einem 50 Jahre alten VW Käfer verwendet. Der 3D-Scan des original Bauteils steht hier zum Download bereit.

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Schritt 1: Vermessung mit Netfabb und Erzeugung der Referenz-Skizze in FreeCAD

Im ersten Schritt vermessen wir den 3D-Scan des Bauteils in Netfabb. Dann erstellen wir einen Kreis in FreeCAD, der bei der exakten Ausrichtung des Bauteils hilft.

Import des original 3D-Scan „VW-Tankgeber.stl” in Netfabb.

Import des original 3D-Scan „VW-Tankgeber.stl” in Netfabb.

Button „Neue Messung“ anklicken.
Button „Neue Messung“ anklicken.
Dann „Radius messen“ anklicken. Wichtig: Die Schaltfläche „3 Punkte auf Kreis“ muss aktiviert sein.
Dann „Radius messen“ anklicken. Wichtig: Die Schaltfläche „3 Punkte auf Kreis“ muss aktiviert sein.
Zur Messung des Außendurchmessers drei Punkte an der Aussenkante des Flansches auswählen. Netfabb gibt daraufhin automatisch das Messergebnis aus.
Zur Messung des Außendurchmessers drei Punkte an der Aussenkante des Flansches auswählen. Netfabb gibt daraufhin automatisch das Messergebnis aus.
In unserem Beispiel ist der Aussendurchmesser 75,97 mm. Wir runden das Ergebnis auf 76 mm auf.
In unserem Beispiel ist der Aussendurchmesser 75,97 mm. Wir runden das Ergebnis auf 76 mm auf.
Jetzt die Datei „Tankgeber.stl“ in FreeCAD importieren und den Arbeitsbereich „Sketcher“ aktivieren. Dazu die Schaltfläche „Einen Kreis in Skizze erstellen“ anklicken.
Jetzt die Datei „Tankgeber.stl“ in FreeCAD importieren und den Arbeitsbereich „Sketcher“ aktivieren. Dazu die Schaltfläche „Einen Kreis in Skizze erstellen“ anklicken.
Den Button „Lege Radius eines Kreises oder eines Bogens fest“ anklicken.
Den Button „Lege Radius eines Kreises oder eines Bogens fest“ anklicken.
Geben Sie 76 mm/ 2 ein. FreeCAD wird automatisch den Kreis mit einem Radius von 38 mm bemaßen. Die Referenzkreis-Skizze ist nun fertig.
Geben Sie 76 mm/ 2 ein. FreeCAD wird automatisch den Kreis mit einem Radius von 38 mm bemaßen. Die Referenzkreis-Skizze ist nun fertig.

Schritt 2: Placement: Exaktes Ausrichten des Bauteils in FreeCAD

Im Arbeitsbereich „Skizze“ muss das Bauteil exakt entlang der X,Y und Z-Achsen ausgerichtet werden.

Zuerst die Schaltfläche „Daten“ in der unteren linken Ecke anklicken.
Zuerst die Schaltfläche „Daten“ in der unteren linken Ecke anklicken.
Dann auf die drei Punkte neben dem Button „Placement“ klicken.
Dann auf die drei Punkte neben dem Button „Placement“ klicken.
Checkbox “Änderungen an Objektplacement inkrementell übernehmen” aktivieren.
Checkbox “Änderungen an Objektplacement inkrementell übernehmen” aktivieren.
Nun zur Seitenansicht wechseln und das Bauteil schrittweise rotieren bis es senkrecht zur X-Achse steht.
Nun zur Seitenansicht wechseln und das Bauteil schrittweise rotieren bis es senkrecht zur X-Achse steht.
So sollte die korrekte Ausrichtung aussehen.
So sollte die korrekte Ausrichtung aussehen.
Für die Y-Achse die Ansicht ändern und den Prozess wiederholen.
Für die Y-Achse die Ansicht ändern und den Prozess wiederholen.
Zum Abschluss in die Oberansicht wechseln und das Bauteil im Zentrum des Kreises platzieren. So ist es optimal im Koordinatensystem von Free CAD ausgerichtet, was die CAD-Konstruktion enorm vereinfacht.
Zum Abschluss in die Oberansicht wechseln und das Bauteil im Zentrum des Kreises platzieren. So ist es optimal im Koordinatensystem von Free CAD ausgerichtet, was die CAD-Konstruktion enorm vereinfacht.

Schritt 3: Modifikation der Transparenz in FreeCAD und Erstellung des Profils

Um direkt darauf konstruieren zu können, wird das Bauteil nun semi-transparent gemacht.

Durch Drücken der Tastenkombination STRG+D öffnet sich ein Fenster in dem die „Transparency“ eingestellt werden kann. Sollte STRG+D nicht funktionieren, kann alternativ die „Transparency“ auch direkt links unten im Menü eingestellt werden.
Durch Drücken der Tastenkombination STRG+D öffnet sich ein Fenster in dem die „Transparency“ eingestellt werden kann. Sollte STRG+D nicht funktionieren, kann alternativ die „Transparency“ auch direkt links unten im Menü eingestellt werden.
Nun auf „neue Skizze erstellen“ klicken.
Nun auf „neue Skizze erstellen“ klicken.
XY Ebene auswählen.
XY Ebene auswählen.
Und den Querschnitt des Flansch konstruieren.
Und den Querschnitt des Flansch konstruieren.
Schaltfläche “Die Länge einer Linie oder den Abstand einer Linie und eines Vertex festlegen” anklicken.
Schaltfläche “Die Länge einer Linie oder den Abstand einer Linie und eines Vertex festlegen” anklicken.
Hier wird das Maß zwischen dem Rand des Flansch und dem Mittelpunkt bestimmt. Der Radius beträgt 76 mm/ 2 = 38 mm. Es muss häufig zwischen Netfabb und FreeCAD gewechselt werden bis alle Beschränkungen („constraints“) für die Skizze definiert sind.
Hier wird das Maß zwischen dem Rand des Flansch und dem Mittelpunkt bestimmt. Der Radius beträgt 76 mm/ 2 = 38 mm. Es muss häufig zwischen Netfabb und FreeCAD gewechselt werden bis alle Beschränkungen („constraints“) für die Skizze definiert sind.
Die Skizze leuchtet grün, sobald alle Beschränkungen definiert sind.
Die Skizze leuchtet grün, sobald alle Beschränkungen definiert sind.
Button „Rotiere die ausgewählte Skizze“ anklicken.
Button „Rotiere die ausgewählte Skizze“ anklicken.
Die Grund-Geometrie des Flansch ist nach der Rotation komplett. Die Form wird durch weitere Skizzen optimiert.
Die Grund-Geometrie des Flansch ist nach der Rotation komplett. Die Form wird durch weitere Skizzen optimiert.

Schritt 4: Konstruktion auf dem Querschnitt: Ausblenden von Bereichen des Bauteils

Um diese Arbeitsschritte durchzuführen, steht der Arbeitsbereich „Mesh Design“ zur Verfügung.

Schaltfläche “Schneidet ein Netz mit einem ausgewählten Polygon” anklicken.
Schaltfläche “Schneidet ein Netz mit einem ausgewählten Polygon” anklicken.
Mit Hilfe der blauen Schnittlinie wird die Sektion des Bauteils bestimmt, die ausgeblendet werden soll.
Mit Hilfe der blauen Schnittlinie wird die Sektion des Bauteils bestimmt, die ausgeblendet werden soll.
Ist die Auswahl vollständig, kann man per rechtem Mausklick die Option „Innen“ auswählen.
Ist die Auswahl vollständig, kann man per rechtem Mausklick die Option „Innen“ auswählen.
Nun in den Arbeitsbereich „Sketcher“ wechseln, und dort den Button „Neue Skizze erstellen“ anklicken.
Nun in den Arbeitsbereich „Sketcher“ wechseln, und dort den Button „Neue Skizze erstellen“ anklicken.
XY-Ebene auswählen.
XY-Ebene auswählen.
Nun die Z-Achse im Menü „Position“ ändern, damit sich die Ebene auf der gleichen Höhe wie die Schnittkante befindet.
Nun die Z-Achse im Menü „Position“ ändern, damit sich die Ebene auf der gleichen Höhe wie die Schnittkante befindet.
Das Ergebnis sieht so aus.
Das Ergebnis sieht so aus.
Nun noch in die Oberansicht wechseln und auf dem Querschnitt skizzieren.
Nun noch in die Oberansicht wechseln und auf dem Querschnitt skizzieren.

Schritt 5: Verbinden der Profile mit einem Loft

Je nachdem wie komplex das Bauteil ist, müssen zur Bestimmung der Aussenform viele verschiedene Profil-Skizzen erstellt werden. Diese Profile werden mit einem Loft zu einem Körper verbunden.

Die drei Profile, die zu einem Loft verbunden werden sollen.
Die drei Profile, die zu einem Loft verbunden werden sollen.
Um es einfach zu halten, haben wir uns zunächst auf die Aussenform konzentriert.
Um es einfach zu halten, haben wir uns zunächst auf die Aussenform konzentriert.
Dafür den Button “Loft eines ausgewählten Profils durch andere Profilabschnitte” anklicken.
Dafür den Button “Loft eines ausgewählten Profils durch andere Profilabschnitte” anklicken.
So sollte das Ergebnis der verbundenen Profile  aussehen.
So sollte das Ergebnis der verbundenen Profile aussehen.

Schritt 6: Boolsche Operation: Zusammenführen der Körper und Export als STEP-Datei

Im letzten Schritt werden die einzelnen Körper verbunden und als STEP-Datei exportiert. Dafür arbeitet man im Arbeitsbereich „Part“.

Wir wählen dafür zunächst den Flansch Körper aus…
Wir wählen dafür zunächst den Flansch Körper aus…
…und danach alle anderen Körper.
…und danach alle anderen Körper.
Mit der Boolschen Operation verbinden wir alles
Mit der Boolschen Operation verbinden wir alles
Als Ergebnis erhält man das fertige Bauteil. Es ist ein Volumenmodell, das sich auch in anderen CAD Programmen verändern lässt.
Als Ergebnis erhält man das fertige Bauteil. Es ist ein Volumenmodell, das sich auch in anderen CAD Programmen verändern lässt.

Jetzt kann das Bauteil als STEP-Datei exportiert werden. Unsere STEP-Datei steht hier zum Download bereit.

Jetzt kann das Bauteil als STEP-Datei exportiert werden. Unsere STEP-Datei steht hier zum Download bereit.

Schritt 7: Vergleich des original 3D-Scan (STL) mit dem neu modellierten Bauteil (STEP)

Um das in FreeCAD neu modellierte Bauteil mit dem original 3D-Scan zu vergleichen, haben wir einen Report erstellt – den sogenannten Soll/Ist Vergleich. Das „Soll“ entspricht in unserem Fall dem original 3D-Scan und das „Ist“ unserem rekonstruierten Bauteil.

Für den Soll/Ist Vergleich haben wir die ebenfalls kostenlose Software GOM Inspect verwendet.
Für den Soll/Ist Vergleich haben wir die ebenfalls kostenlose Software GOM Inspect verwendet.
Hier sind die Abweichungen zwischen dem original 3D-Scan (STL) und dem Volumenmodell (STEP) in mm sichtbar.
Hier sind die Abweichungen zwischen dem original 3D-Scan (STL) und dem Volumenmodell (STEP) in mm sichtbar.

Die Farben markieren den Grad der Abweichung:

  • Grün: Kaum Abweichung zum original 3D-Scan.
  • Rot: Material über dem original 3D-Scan.
  • Blau: Material unter dem original 3D-Scan.

Fazit:

Trotz Abweichungen ist unser Reverse-Engineering erfolgreich. Der Tankgeber war stark verformt und so stellt sich unser Nachbau sogar als besser als das Original heraus.

Holocreators GmbH hat dieses Tutorial erstellt. Wenn Sie bei diesem Reverse Engineering Tutorial Hilfe benötigen oder wir das für Sie erledigen dürfen, dann melden Sie sich gerne bei uns: +49 40 48 11 33 oder schreiben uns bitte eine E-Mail: info@holocreators.com.

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