Home Forschung & Bildung Gewebekultivierung im Labor: Fitnessprogramm für Zellen

Gewebekultivierung im Labor: Fitnessprogramm für Zellen

„Zellen brauchen Halt, um sich zu entwickeln“, erklärt Dr. Amelie Erben. „Im lebenden Organismus werden sie gestützt durch ein Netzwerk von Eiweißverbindungen, den Proteinen. Diese sind sozusagen das Fitnessgerät, an dem sich die Zellen festhalten und ihre künftige Funktion trainieren können. Züchtet man Gewebe im Labor, muss man das Proteingerüst, die extrazelluläre Matrix, künstlich herstellen.“ In ihrer Dissertationsarbeit ist es der Maschinenbauerin vom Centrum für Angewandtes Tissue Engineering und Regenerative Medizin (CANTER) der Hochschule München und dem Heinz Nixdorf Lehrstuhl für Biomedizinische Elektronik der Technischen Universität München (TUM) jetzt gelungen, die hochaufgelöste extrazelluläre Matrix für Laborzellen mit einem 3D-Drucker herzustellen.

Forscher-Teams auf der ganzen Welt arbeiten seit Jahrzehnten daran, die Herstellung von Gewebe im Labor zu verbessern. Das Ziel ist es, aus einzelnen Zellen ein bestimmtes, funktionsfähiges Gewebe zu züchten – beispielsweise Haut, Neuronen, Herzmuskeln oder Lungenbläschen. Für dieses Tissue Engineering gibt es eine Vielzahl von Anwendungen: beispielsweise in der Transplantationsmedizin und bei der Medikamentenentwicklung.

Verschweißte Proteinketten

„Entscheidend beim Tissue Engineering ist die dritte Dimension“, betont Erben. „Jeder Zelltypus ist anders und braucht eine ganz spezielle, räumliche Protein-Struktur, um sich zu entwickeln. Im Labor muss man die dreidimensionalen Protein-Strukturen künstlich schaffen: Und je genauer diese mit dem natürlichen Vorbild übereinstimmen, desto besser.“

Die Forscherin konnte jetzt – am Beispiel von Lungengewebe – zeigen, dass sich die Proteinumgebung mit Hilfe eines 3D-Druckers sehr präzise herstellen lässt. „Die Kultivierung von Lungenbläschen, den Alveolen, ist eine besondere Herausforderung, weil diese von einer extrem dünnen extrazellulären Matrix gebildet werden, durch die der Sauerstoff an den Blutkreislauf abgegeben wird“, erläutert Erben. “Daher muss die umgebende Proteinstruktur besonders präzise aufgebaut sein.“

Für den Druck der nur wenige Micrometer dünnen 3D-Struktur nutzte die Maschinenbauerin die Zwei-Photonen-Stereolithographie, am Max-Planck für Biochemie, ein Verfahren, bei dem – Schicht für Schicht – Proteine an bestimmten Punkten miteinander zu Ketten verschweißt werden. Die Steuerbefehle für den Drucker basierten auf einer umfangreichen Analyse von echtem Lungengewebe: „Wir wollten dem natürlichen Vorbild bezüglich Geometrie, Stabilität und biochemischer Zusammensetzung möglichst nahekommen“, erinnert sich die Ingenieurin. Erste Experimente haben mittlerweile gezeigt, dass sich die Zellen in dieser gedruckten Umgebung tatsächlich gut vermehren und Eigenschaften aufweisen, die denen von natürlichem Lungengewebe ähnlich sind.

Der nächste Schritt: Gefäße zur Versorgung des gezüchteten Gewebes

Im zweiten Teil ihrer Forschungsarbeit hat Erben eine dreidimensionale Proteinstruktur mit einem 80 Mikrometer dünnen Kanal gedruckt. Durch diesen soll künftig die Versorgung der Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen simuliert werden. „Damit haben wir den Grundstein gelegt für die systematische Erforschung der dreidimensionalen Zellinteraktionen bezüglich der strukturellen, mechanischen und biomolekularen Reize“, resümiert Erben. Das Proteingerüst aus dem 3D-Drucker werden Forschende vom Comprehensive Pneumology Center, Helmholtz Zentrum München und vom Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme in Stuttgart nutzen, um die Reaktionen der Zellen auf die verschiedenen Reize zu erforschen und die Gerüststruktur weiter an das natürliche Vorbild anzunähern.

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