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Der Aufstieg der additiven Fertigung in der Luft- und Raumfahrt

Die Weiterentwicklung des 3D-Drucks/der additiven Fertigung (AM) in der Luft- und Raumfahrt treibt die Effizienz in der gesamten Wertschöpfungskette weiter voran und löst Probleme bei der Produktion. Foster Ferguson, Director of Aerospace bei Stratasys, ein führender Anbieter im Bereich additive Fertigung, untersucht, warum die Technologie bei großen OEMs und zahlreichen Zulieferern so beliebt ist.

Der Luft- und Raumfahrtsektor war schon immer ein frühzeitiger Anwender neuer Technologien, um sowohl das Gewicht als auch die Kosten von Flugzeugen zu reduzieren. Die Akzeptanz des 3D-Drucks/der additiven Fertigung (AM) stellt dies unter Beweis – insbesondere in Bezug auf die Lieferkette und den After-Market.

Foster Ferguson, Director of Aerospace bei Stratasys
Seit den frühen neunziger Jahren hat die Branche einen langen Weg zurückgelegt. In dieser Zeit begannen Erstausrüster (OEMs) erstmals damit, zu untersuchen, ob man bei der Flugzeugkonstruktion 3D-gedruckte Prototypen eines Bauteils nutzen kann. Dank bedeutender technologischer Fortschritte – vor allem bei der Materialentwicklung – hat sich der Umfang der Anwendungsmöglichkeiten der additiven Fertigung in der Luft- und Raumfahrt schnell erweitert. OEMs wussten nun, wie flexibel und effizient es ist, mit additiver Fertigung zu produzieren. Bald gingen Sie dazu über, die Technologie für verschiedene Anwendungen bei Betriebsmitteln und Vorrichtungen einzusetzen, um dem Bedarf in der Werkzeugfertigung nachzukommen.

Diese Anwendungen sind in unserer Branche inzwischen so alltäglich, dass sie heute fast schon selbstverständlich sind. Vielmehr konzentrierte man sich in den vergangenen fünf oder sechs Jahren in zunehmendem Maße darauf, die additive Fertigung zu nutzen, um Flugzeugbauteile für die Produktion herzustellen. Dies zeigt die jüngste Vertragsverlängerung von Airbus mit Stratasys. In seinen A350-Flugzeugen setzt Airbus seit mehreren Jahren erfolgreich 3D-gedruckte Bauteile ein. Nun weitet das Unternehmen die additive Fertigung aus und nutzt sie für das gesamte Flugzeugportfolio, um im Rahmen seiner Wartung, Reparatur und Instandhaltung Ersatzteile herzustellen.
Bei einer Aufschlüsselung dieser Flugzeugbauteil-Kategorie sieht man weiterhin, dass OEMs die additive Fertigung für immer mehr Anwendungen im Kabineninnenraum nutzen. In letzter Zeit haben wir aber auch gemeinsam mit führenden Unternehmen an der Entwicklung von Materialien für Flugzeugbauteile außerhalb der Kabine gearbeitet. Ein gutes Beispiel ist Boeing, das unser Antero 800NA FDM material als geeignet für diese Anforderung betrachtet. Dieses spezielle Material hat eine hohe Beständigkeit gegenüber Chemikalien, gute Ermüdungseigenschaften und hält dem Kontakt mit Hydraulikflüssigkeiten und Kraftstoffen stand. Daher eignet es sich gut für zahlreiche Bauteile im gesamten Flugzeug.

Vor kurzem haben wir uns mit dem globalen Sicherheits- und Raumfahrtunternehmen Lockheed Martin und der Metropolitan State University of Denver zusammengetan, um grundlegende Materialqualifikationsdaten für unser Filamentmaterial Antero 840CN03 bereitzustellen. Damit kann das Material für additiv gefertigte Teile für die Luft- und Raumfahrt verwendet werden, wie z. B. für das Orion-Raumschiff.
Dies verdeutlicht meiner Ansicht nach, wie OEMs und 3D-Druckunternehmen wie wir zusammenarbeiten müssen, um das Anwendungspotenzial der additiven Fertigung weiter auszubauen.

Grundlegende Ziele erreichen

Unabhängig von der Herausforderung wollen die meisten Kunden die additive Fertigung nutzen, um per 3D-Druck leichte und kostengünstige Bauteile zu fertigen. Und die Technologie bietet verschiedene Möglichkeiten, um dies zu erreichen.

Zunächst einmal kann man statt Metallbauteilen äußerst leistungsstarke Thermoplaste einsetzen und so das Gewicht erheblich reduzieren. Zusätzlich kann man das Bauteil auch durch das Design leichter machen. Der schichtweise additive Aufbau ermöglicht die Herstellung komplexer Geometrien, etwa hohle Zellstrukturen, die mit herkömmlichen Verfahren nicht realisierbar sind. Einige Kunden nutzen diese geometrische Freiheit oft, um mehrere Komponenten in einem einzigen Bauteil zusammenzufassen. Bei herkömmlichen Methoden müssen im Gegensatz dazu mehrere Bauteile mit mehr Arbeitsaufwand einzeln zusammengebaut werden. All diese Gewichtseinsparungen führen vor allem zu einem geringerem Treibstoffverbrauch, bzw. im Falle von Elektroflugzeugen sind kleinere Batterien erforderlich – dies verdeutlicht, wie sich additive Fertigung direkt auf die Wirtschaftlichkeit des Fliegens auswirken kann.

Mehrere neue Plattformen befinden sich in der Entwicklung. Hierdurch entstehen neue Märkte wie Urban Air Mobility oder eVTOL (Electric Vertical Takeoff and Landing)und die Wiedereinführung von Überschallflugzeugen. Bestimmte Technologien der additiven Fertigung sind inzwischen ausgereifter. Daher können diese neuen Plattformen die additive Fertigung in der Design- und Entwicklungsphase in einer Weise nutzen, wie es bei Vorgängergenerationen einfach nicht möglich war. Dies macht sich vor allem bemerkbar bei der Entwicklung der Flugzeuge von Boom Supersonic. Das Unternehmen zeigte sich sehr aufgeschlossen, Einzelheiten darüber preiszugeben, wie es die nächste Generation der Überschall-Passagierflugzeuge baut. Das Vorführflugzeug XB-1 hat Hunderte von Bauteilen, die mit FDM gedruckt wurden.
Was die Herstellungskosten angeht, eignet sich die Luft- und Raumfahrtproduktion wegen ihrer Besonderheiten bestens für den Nutzen, den die additive Fertigung verspricht. Anders als in der Automobilbranche, die jedes Jahr Millionen von Autos produziert, werden jedes Jahr nur ein paar Tausend neue Flugzeuge hergestellt. Kostenintensives Werkzeug wird durch additive Fertigung überflüssig und OEMs und ihre Zulieferer können Bauteile schnell und kostengünstig in Kleinserien produzieren – bei Ersatzteilen ist dies besonders nützlich. Wenn OEMs in der Luft- und Raumfahrt die Vorteile einer bedarfsgerechten Produktion vor Ort voll ausschöpfen können – genau die Menge, die man braucht, am Ort, an dem man sie braucht – vermeiden sie enorme Kosten. Ohne Einschränkungen durch Mindestbestellmengen müssen keine großen Bestandsmengen produziert und gelagert werden, die möglicherweise nie genutzt werden – wodurch letztlich Abfall- und Entsorgungskosten entstehen.

Die US Air Force ist ein großartiges Beispiel. Sie nutzt die additive Fertigung, um Ersatzteile nach Bedarf aus einem „digitalen Bestand” zu produzieren. Die US Air Force betreibt zurzeit etwa 100 ältere Transportflugzeuge vom Typ C5 Galaxy. Seit einigen Jahren werden keine neuen Flugzeuge mehr produziert und man braucht immer wieder Ersatzteile in unglaublich geringen Stückzahlen – manchmal nur eines. Durch die Einführung der additiven Fertigung zur Steuerung der Ersatzteilversorgung und Wartung dieses Flugzeugs vermeidet die US Air Force die frustrierenden, kostspieligen und zeitaufwändigen Probleme der traditionellen Beschaffung geringer Ersatzteilmengen für ihre jahrzehntealte C5-Flotte.

Das Vorführflugzeug XB-1 von Boom-Supersonic enthält Hunderte von im FDM-Verfahren gedruckten Teilen
Das Vorführflugzeug XB-1 von Boom-Supersonic enthält Hunderte von im FDM-Verfahren gedruckten Teilen

Breitere Akzeptanz in der gesamten Lieferkette

Große OEMs wie Airbus und Boeing haben diese agilitäts-, leistungs- und effizienzsteigernden Eigenschaften natürlich schon vor längerer Zeit erkannt. Inzwischen nutzen Sie die additive Fertigung jedoch zunehmend auch in der nachgelagerten Lieferkette. Kunden wie BAE Systems und Senior Aerospace BWT sind Paradebeispiele. Sie mussten feststellen, dass ihre eigenen OEM-Kunden die allgemeinen Vorteile der additiven Fertigung inzwischen in vollem Umfang berücksichtigen. In der Praxis haben sie sie daher als Lösung in ihren eigenen Betrieb integriert, um robuste und wiederholbare 3D-gedruckte Bauteile zu liefern und zugleich selbst bei Kosten und Zeitaufwand effizienter zu werden.

Bezüglich der umfassenden Möglichkeiten der additiven Fertigung sollte auch auf ihren Einsatz in der frühen Phase der COVID-19-Krise im vergangenen Jahr und die hierdurch ausgelöste Dynamik hingewiesen werden. Der Luft- und Raumfahrtsektor war natürlich ziemlich stark betroffen und die Flugzeugproduktion ging deutlich zurück. Die Luft- und Raumfahrtunternehmen konnten dies durch den schnellen Umstieg auf die Produktion von persönlicher Schutzausrüstung zwar etwas ausgleichen, es werden aber immer noch weniger Flugzeuge produziert als sonst.

Der gestiegene Bedarf an weitaus geringeren Stückzahlen hat jedoch die starken Argumente für AM unterstrichen, so dass sich die Make-Buy-Analyse und die Abwägung zwischen ihrem Einsatz und der traditionellen Fertigungstechnologie (für Großserienteile) verschoben hat.
Trotz der negativen Folgen für unseren Sektor hat sich die Agilität der additiven Fertigung als erheblicher Vorteil erwiesen, der hierdurch hervorragend zum Ausdruck kommt: Die Luft- und Raumfahrt gilt nicht als besonders agil, reagierte zu Beginn der Pandemie jedoch sehr schnell auf den Aufruf. Die Branche merkte, dass sie bereits über die Technologie verfügt, um die Produktion umzustellen von Werkzeug und Bauteilen für Flugzeuge auf Gesichtsschutzschilde und dann schnell wieder zu wechseln. In einigen dieser Unternehmen öffnete dies auch den Laien und Skeptikern die Augen und sie sahen die Stärken der additiven Fertigung.

Entscheidungsträger in Luft- und Raumfahrtunternehmen betrachten die Vorteile der additiven Fertigung und das Problem der Produktion in geringem Umfang sowie den Wunsch nach mehr Wirtschaftlichkeit nun aus einem neuen Blickwinkel.

Diejenigen von uns, die in der Entwicklung von AM tätig sind, waren die Vorteile bereits klar, sei es während einer globalen Pandemie oder anderweitig. Wie dem auch sei, ich bin nach wie vor der Meinung, dass die additive Fertigung noch viel mehr zu bieten hat, da wir mit der Entwicklung von Werkstoffen weiterhin neue Grenzen überschreiten und neue Anwendungsbereiche erschließen, um die ständigen und immer anspruchsvolleren Bedürfnisse unserer Kunden zu erfüllen.

Ein Gastbeitrag von Foster Ferguson, Director of Aerospace bei Stratasys.

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