Home Anwendungen voxeljet und struktur.form.design Engineering optimieren Fahrrad-Pedalkurbeln mit Hilfe von 3D-Druck und Titanguss

voxeljet und struktur.form.design Engineering optimieren Fahrrad-Pedalkurbeln mit Hilfe von 3D-Druck und Titanguss

Nach aktuellen Zahlen sind in Deutschland rund 82,8 Millionen Fahrräder unterwegs. Nicht nur die Umwelt freut sich über eine weitere Fahrradnation, auch für das körperliche Wohlbefinden ist diese Art der Fortbewegung förderlich. Immer mehr Menschen verzichten auch auf das Auto und steigen auf das Fahrrad um. Vor allem diejenigen, die ihr Fahrrad viel nutzen, legen Wert darauf, das für sie und ihre Bedürfnisse ideale Modell zu finden. Qualität und Aussehen spielen dabei eine wichtige Rolle.

Passionierte Radfahrer geben sich nicht mehr mit einem klapprigen Fahrrad zufrieden. Wenn Sie sich für ein neues Modell interessieren, stellen sich viele zunächst folgende Fragen: Was muss das Rad können und wie ist es beschaffen? Denn je nachdem, für welches Fahrrad und welche Komponenten man sich entscheidet, kann man noch schneller, mit hochwertigeren Teilen und Designs oder billiger an sein Ziel kommen.

Überdenken bestehender Produktdesigns durch additive Fertigung

voxeljet hat sich mit struktur.form.design Engineering zusammengetan, um einen Prototyp zu entwickeln, bei dem es in erster Linie um Ästhetik geht, aber auch um die Optimierung von Teilen, die nur mit 3D-Druck hergestellt werden können. Additive Fertigung trifft auf Design anno 2023. “Wir haben ein Fahrrad entworfen, das stellvertretend für jedes existierende Produkt steht, das mit verschiedenen 3D-Druckverfahren optimiert werden kann. Das Fahrrad ist zwar nicht komplett 3D-gedruckt, aber wir identifizieren, optimieren und fertigen nach und nach die Teile, deren Herstellung per 3D-Druck sinnvoll ist und geben neue Impulse, was additiv hergestellt werden kann. Denn die additive Fertigung lässt uns alle bestehenden Objekte neu denken und die Grenzen des traditionellen Designs verschwinden”, sagt Tobias King, Director Marketing & Applications bei voxeljet.

Mit dem Fokus auf die Optik für das neu gestaltete Fahrrad ist der wichtigste Schritt im Optimierungsprozess entschieden. Die Topologie spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn viele Teile werden im Einsatz stark beansprucht. Das Ingenieurbüro struktur.form.design Engineering aus Langenbach bei Kaiserslautern, das sich auf die Entwicklung von additiv gefertigten Bauteilen spezialisiert hat, arbeitet stets mit einer klaren Zielsetzung in Sachen Strukturoptimierung. Der 3D-Druck ermöglicht dabei eine enorme Gestaltungsfreiheit. In diesem Fall einer Fahrrad-Tretkurbel stand die Ästhetik im Vordergrund – aber auch Aspekte wie Leistungssteigerung, Gewichtsreduzierung und Kostensenkung können Treiber für die strukturelle Anpassung der Einzelteile sein.

Optimierung der Topologie durch die Finite-Elemente-Methode

Enorme gestalterische Freiheiten zu haben, bedeutet, sich zunächst mit dem technisch Machbaren auseinandersetzen zu müssen. Bevor die 3D-Drucker bei voxeljet heiß laufen, wird im Ingenieurbüro die Finite-Elemente-Methode (FEM) angewendet.

Um insbesondere komplexe Bauteile rechnerisch analysieren zu können, stellt die FEM die Bauteilgeometrie durch viele kleine, einfache Elemente – oft ein Tetraeder oder Hexaeder – dar. Dieser Diskretisierungsprozess (auch Meshing genannt) ist notwendig, da reale Anwendungen meist komplizierte Geometrien und Randbedingungen aufweisen, die analytisch nur schwer zu lösen sind. Durch die Abbildung der Geometrie in finite Elemente kann das Verhalten der Gesamtstruktur mit numerischen Methoden näherungsweise, aber mit ausreichender Genauigkeit bestimmt werden.
“Mit Hilfe leistungsfähiger FEM-Softwaretools können wir bereits in einem frühen Entwicklungsstadium am Computer simulieren, wie sich Bauteile unter bestimmten Bedingungen mechanisch verhalten, ohne sie jemals gefertigt und getestet zu haben”, erklärt Florian Pfaff, Geschäftsführer von struktur.form.design Engineering.

Das zentrale Ziel der Zusammenarbeit zwischen voxeljet und struktur.form.design Engineering war schnell definiert: eine Fahrradkurbel zu entwickeln, die nicht nur ästhetisch zum bestehenden Showbike passt, sondern auch leicht ist, ohne die strukturelle Leistungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Ebenso schnell war klar, dass die optimierte Kurbel aus einer Titanlegierung bestehen sollte, die ideale Eigenschaften in Bezug auf geringe Dichte bei hoher Festigkeit aufweist.

Wenn Algorithmen effiziente Designs erzeugen

Bei der Topologieoptimierung handelt es sich im Wesentlichen um einen mathematischen Ansatz, bei dem die Finite-Elemente-Methode eingesetzt wird, um die Anordnung der Materialien in einem bestimmten Entwurfsraum (dem so genannten Design Space) unter Berücksichtigung relevanter Lastfälle und einschränkender Randbedingungen iterativ zu optimieren, um eine ideale Leistung zu erzielen. “Sie bestimmt effektiv, wo Material benötigt wird und wo es weggelassen werden sollte, um eine optimale strukturelle Effizienz zu erreichen”, fügt Pfaff hinzu.

Auf die Topologieoptimierung folgt die Formoptimierung. Dadurch werden lokale Spannungsspitzen in Kerbbereichen reduziert, was sich positiv auf die Lebensdauer des Bauteils auswirkt. Bei näherer Betrachtung ist zu erkennen, dass sich die Form der einzelnen Kerben lokal verändert.

Bild 1 – Nach der Topologieoptimierung reduziert die Formoptimierung lokale Spannungsspitzen in Kerbbereichen, was sich positiv auf die Lebensdauer des Bauteils auswirkt

Im letzten Schritt wird das Ergebnis der Strukturoptimierung in ein brauchbares CAD-Modell zurückgeführt. Im CAD-System werden dann analog zur klassischen CAD-Konstruktion die letzten Details hinzugefügt, damit das Bauteil auch in der Praxis eingesetzt werden kann. Diese Vorgehensweise gewährleistet einen effizienten und fertigungsgerechten Entwurf.

Bild 2 – Der Prozess einer Bauteiloptimierung. Ausgehend von einem vorgegebenen Designraum berechnen mathematische Algorithmen, geleitet von relevanten Lastfällen und einschränkenden Randbedingungen, eine leistungsoptimierte Struktur.

Vom 3D-gedruckten “Wachsmodell” zur Tretkurbel aus Titan

Bei voxeljet wird dann aus den bereitgestellten CAD-Daten im Binder-Jetting-Verfahren das Modell für den Feinguss gedruckt. Dazu werden die CAD-Datensätze in Schichten “gesliced”. Im Druckprozess wird ein Pulver, in diesem Fall Polymethylmethacrylat (PMMA), vom Recoater in mikrometerdünnen Schichten auf eine Aufbaufläche aufgebracht und anschließend vom Druckkopf selektiv verklebt. Jede Schicht stellt einen Querschnitt des jeweiligen Teils dar. Nach dem Druck wird der Bauraum um eine Schichtdicke (150 Mikrometer) abgesenkt, eine neue Pulverschicht folgt, und der Druckkopf verklebt sie erneut selektiv. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis das Teil vollständig im Pulverbett gedruckt ist, dann wird es ausgepackt und gereinigt. Das Modell ist fertig. Für den anschließenden Feinguss ist es besonders vorteilhaft, dass das PMMA sehr gute Ausbrenneigenschaften hat, so dass auch minimale Wandstärken reproduziert werden können.

Anschließend wurde der 3D-gedruckte Prototyp im klassischen Feingussverfahren mit Keramik beschichtet und ausgebrannt. Aufgrund der hohen Qualität und Festigkeit versprechen die in Titan gegossenen Tretkurbeln eine deutlich höhere Haltbarkeit und Formstabilität der Produkte.

Das 3D-gedruckte PMMA-Modell wird anschließend im Feingussverfahren in Titan gegossen und weist somit den höchsten Detailgrad auf. Die daraus resultierende hochkomplexe Geometrie kann aufgrund der Hinterschneidungen nur im 3D-Druck realisiert werden.

Umgestaltung auch traditionell oder mit dem DMLS-3D-Druckverfahren möglich?

Beim traditionellen Feinguss wären zusätzliche Arbeitsschritte zur Herstellung der Tretkurbel nötig gewesen, die durch den 3D-Druck entfallen könnten. “Die Herstellung einer solchen Struktur aus Titan mit klassischen Methoden wäre – wenn überhaupt technisch möglich – definitiv nicht wirtschaftlich. Ohne 3D-Drucker wäre es nicht möglich gewesen, eine so komplexe Tretkurbel zu realisieren”, sagt Florian Pfaff, Geschäftsführer von struktur.form.design Engineering.

Anstelle des Direkten Metall-Laser-Sinterns (DMLS) ist Feinguss auch aufgrund der Materialkosten günstiger als der Metall-Direktdruck, insbesondere bei großen Losgrößen, da ein geschmolzener Barren kostengünstiger ist als Metallpulver. Im Gegensatz zum DMLS liefert der anschließende Feinguss ein homogeneres Materialverhalten, da das geschmolzene Metall planmäßig und kontrolliert erstarren kann. Im 3D-gedruckten Bauraum ist die Bruchdehnung beispielsweise in der X- oder Y-Achse aufgrund des Schichtverbundes höher als in der Z-Richtung. Ein großer Vorteil des “gedruckten Gießens” ist, dass der 3D-Druck in Kombination mit Feinguss bereits in vielen Branchen, wie z.B. der Flugzeugindustrie, anerkannt und zertifiziert ist.

Das Ergebnis…

…liefert mit einem Gewicht von 152 Gramm das Beste aus beiden Welten – moderne 3D-Drucktechnologie und traditionelle Fertigung mit 40-50% Gewichtsreduktion im Vergleich zu herkömmlichen Tretkurbeln und weiterem Einsparpotential.

“Insgesamt zeigt dieses Projekt, was moderne Strukturoptimierung in Kombination mit additiven Fertigungsverfahren schon heute leisten kann. Die additive Fertigung überzeugt hier durch ihre Gestaltungsfreiheit. Sie ermöglicht die Realisierung komplexer Geometrien und bietet die Möglichkeit, Ressourcen sehr effizient zu nutzen. Das Potenzial der 3D-Drucktechnologie, Produkte völlig neu zu denken und die Grenzen konventioneller Fertigungsverfahren zu überwinden, ist enorm”, resümiert Florian Pfaff.

Bild 3 – Die mittels 3D-Druck und Feinguss aus Titan hergestellten Tretkurbeln.

Wöchentlicher 3Druck.com Newsletter

Keine News mehr versäumen: Wir liefern jeden Montag kostenlos die wichtigsten Nachrichten und Informationen zum Thema 3D-Druck in Ihr Postfach.

Wir senden keinen Spam! Mit dem Absenden des Formulars akzeptieren Sie unsere Datenschutzbestimmungen.

Keine News mehr versäumen!

Wir liefern wöchentlich kostenlos die wichtigsten Nachrichten und Informationen zu dem Thema 3D-Druck in Ihr Postfach. HIER ANMELDEN. Wir sind auch bei LinkedIn zu finden. Sie können uns hier folgen!